Lützerath ist «abgebaggert» – Widerstand und Besetzung zum Trotz. Samuel Bosshardt erlebte Alltag und Kampf der Aktivist*innen bis zur Räumung.
Lützerath, 22.5.22: Nessa kühlt sich im Pool hinter der Villa ab.
Als ich zum ersten Mal am Rand des Kohletagebaugebiets im Westen Nordrhein-Westfalens stand, hatte ich das Gefühl, ich sei auf einem anderen Planeten gelandet. Plötzlich endet die Landschaft. Bis zum Horizont ein riesiges Loch. Nur Dreck, Staub und das Quietschen unzähliger Kohlebagger. Doch inmitten dieser unglaublichen Zerstörung unserer Erde entstand der in meinen Augen schönste Ort auf der Welt. Direkt an der Kante zum Tagebau befand sich Lützerath, ein kleines Dorf, das vom Abriss bedroht war. Klimaaktivist*innen belebten das Dorf und erschufen einen lebendigen friedlichen Ort. Ein Ort, offen für alle Menschen, wo Träume und Utopien zur Realität werden konnten und Anarchie herrschte.
Trotz massiven Widerstands genehmigt die Landesregierung einen Großeinsatz der Polizei, um das Dorf zu räumen und Platz für die Kohlebagger zu machen. Viele Menschen verbarrikadierten sich in Häusern und Bäumen, um die Räumung hinauszuzögern. Die Polizei stürmte das Dorf. Nach ein paar Tagen war der Ort ein einziger Trümmerhaufen. Obwohl Lützerath für immer Geschichte sein wird, lebt es in den Herzen der Menschen weiter. Der Kampf für Klimagerechtigkeit wird nicht aufgegeben.
Lützerath, 18.5.22: Lara, Inok, Nessa, Tanne, Yuri und Mütze (v. l.) gehen zur Abbruchkante, um sich den Tagebau anzuschauen. Die Aktivist*innen sind vermummt, da der Werkschutz von RWE regelmässig an der Kante patrouliert.
Lützerath, 9.10.22: Die letzten Sonnenstrahlen eines Fallen auf ein kleines Baumhaus, das gerade renoviert wird.
Lützerath, 23.4.22: Nach einer grossen Demonstration um Lützerath konnte das Tagebauvorfeld zwischen Dorf und Tagebau besetzt werden. Aktivist*innen feiern diesen Moment mit einem grossen Lagerfeuer gefeiert.
Lützerath, 6.10.22: Aktivist*innen bauen in der Nacht mit Stirnlampen und Mondlicht am Dach des Towers weiter.
Lützerath, 9.1.23: In einer besetzten Lagerhalle kann man sich mit Lebensmitteln und anderen Utensilien für die Räumung ausrüsten. Es wird vermutet, dass als erstes die Bodenstrukturen geräumt werden. In diesem Falle kann die Küfa (Küche für alle) nicht mehr kochen und die Aktivist*innen versorgen. Da RWE die Stromzufuhr nach Lützi gekappt hat, ist es in den Räumlichkeiten dunkel.
Lützerath, 21.5.22: Nessa und Yuri schauen sich den Sonnenuntergang von einer Barrikade an einem Dorfzugang an. Hinter der Barrikade steht fast pausenlos ein Auto vom Werkschutz und überwacht das Tagebauvorfeld.
Lützerath, 12.1.22: Aktivist*innen sind während der Bodenräumung auf den Tower gekettert. Die Bodenstrukturen sind nach kurzer Zeit fast alle geräumt. Nur noch in den höheren Strukturen, Bäumen und verbarrikadierten Häusern befinden sich noch Menschen.
Lützerath, 14.1.23: Die Villa inmitten von Trümmern und gefällten Bäumen
Lützerath, 13.11.22: Schildkröte in der "Reihenhaussiedlung", die sie mitgebaut hat und bewohnt.
Lützerath, 21.5.22: Nessa, Yuri, Petzi und Mütze schauen sich den Sonnenuntergang von dem Wall zwischen Lützi und dem Tagebau an.
Lützerath, 12.1.23: Seit mehreren Tagen räumt und zerstört die Polizei die strukturen um den Tower. Eine Hebebühne holt die letzten Aktivist*innen von der Reihenhaussiedlung, die sich innen angekettet haben.
Seit mehreren Tagen räumt und zerstört die Polizei die Strukturen um den Tower. Eine Hebebühne holt die letzten Aktivist*innen von der Reihenhaussiedlung, die sich innen angekettet haben.
Lützerath, 11.1.23: Früh morgens stürmt die Polizei mit mehreren Hunderschaften des BFE ins Dorf. Alles und jede*r, der im Weg steht, wird gewaltsam beseitigt. Obwohl die Aktivist*innen wussten, dass die Räumung unmittelbar stattfinden wird, waren viele Menschen überrascht, wie unerwartet und schnell die Polizei ins Dorf gestürmt ist.
Lützerath, 12.1.23: Ein Aktivist besetzt nachts eine Traverse, die zu anderen Baumhäusern führt. Die Polizei hät Ausschau nach Traversen, an denen keine Menschen hängen, um diese abzuschneiden. Oftmals mussten Aktivist*innen mit dem Megafon oder über Journalist*innen die Polizei warnen, besetzte Traversen nicht durchzuschneiden, da das den Tod für den Menschen in der Traverse bedeuten kann.
Lützerath, 17.1.23: Die Polizei versucht Menschen, die nach der Räumung in den Tagebau eindringen wollen, zu stoppen und einzukesseln. Die Aktivist*innen halten zusammen.
Lützerath, 17.1.23: Viele Aktivist*innen bachen aus einer Demo aus und stürmen das Tagebauvorfeld. Obwohl das Dorf komplett geräumt ist und fast alles platt gemacht wurde, geben die Menschen nicht auf.
Lützerath, 18.10.22: Blick von der Abbruchkante neben dem Dorf auf den Tagebau und einen Kohlebagger an einem nebligen Tag.
Lützerath, 9.10.22: Die Aussicht von einem Baumhaus in der vordersten Baumreihe mit Sicht auf den Tagebau Garzweiler II, das Kohlekraftwerk Frimmersdorf und Neurath und einige Windkraftanlagen.