Die letzte Bastion

Lützerath ist «abgebaggert» – Widerstand und Besetzung zum Trotz. Samuel Bosshardt erlebte Alltag und Kampf der Aktivist*innen bis zur Räumung.

Als ich zum ersten Mal am Rand des Kohletagebaugebiets im Westen Nordrhein-Westfalens stand, hatte ich das Gefühl, ich sei auf einem anderen Planeten gelandet. Plötzlich endet die Landschaft. Bis zum Horizont ein riesiges Loch. Nur Dreck, Staub und das Quietschen unzähliger Kohlebagger. Doch inmitten dieser unglaublichen Zerstörung unserer Erde entstand der in meinen Augen schönste Ort auf der Welt. Direkt an der Kante zum Tagebau befand sich Lützerath, ein kleines Dorf, das vom Abriss bedroht war. Klimaaktivist*innen belebten das Dorf und erschufen einen lebendigen friedlichen Ort. Ein Ort, offen für alle Menschen, wo Träume und Utopien zur Realität werden konnten und Anarchie herrschte.

Trotz massiven Widerstands genehmigt die Landesregierung einen Großeinsatz der Polizei, um das Dorf zu räumen und Platz für die Kohlebagger zu machen. Viele Menschen verbarrikadierten sich in Häusern und Bäumen, um die Räumung hinauszuzögern. Die Polizei stürmte das Dorf. Nach ein paar Tagen war der Ort ein einziger Trümmerhaufen. Obwohl Lützerath für immer Geschichte sein wird, lebt es in den Herzen der Menschen weiter. Der Kampf für Klimagerechtigkeit wird nicht aufgegeben.

Lützerath, 18.5.22

Lara, Inok, Nessa, Tanne, Yuri und Mütze (v. l.) gehen zur Abbruchkante, um sich den Tagebau anzuschauen. Die Aktivist*innen sind vermummt, da der Werkschutz von RWE regelmässig an der Kante patrouliert.

Lützerath, 9.10.22

Die letzten Sonnenstrahlen des Tages fallen auf ein kleines Baumhaus, das gerade renoviert wird.

Lützerath, 23.4.22

Nach einer großen Demonstration um Lützerath wurde das Vorfeld zwischen Dorf und Tagebau besetzt. Aktivist*innen feiern diesen Moment mit einem großen Lagerfeuer.

Lützerath, 6.10.22

Aktivist*innen bauen in der Nacht mit Stirnlampen und Mondlicht am Dach des Towers weiter.

Lützerath, 9.1.23

In einer besetzten Lagerhalle können sich Aktivist*innen mit Lebensmitteln und anderen Utensilien für die Räumung ausrüsten. Sie vermuten, dass die Polizei zuerst die ebenerdigen Hindernisse räumt. Dann kann die „Küche für alle“ (Küfa) nicht mehr kochen und die Aktivist*innen versorgen. Da RWE die Stromzufuhr nach Lützerath gekappt hat, ist es in den Räumlichkeiten dunkel.

Nessa und Yuri schauen sich den Sonnenuntergang von einer Barrikade an einem Dorfzugang an. Hinter der Barrikade steht fast pausenlos ein Auto vom Werkschutz und überwacht das Tagebauvorfeld. Lützerath, 21.5.22
Lützerath, 12.01.2022

Aktivist*innen sind während der Bodenräumung auf den Tower gekettert. Die Bodenstrukturen sind nach kurzer Zeit fast alle geräumt. Nur noch in den höheren Konstruktionen, Bäumen und verbarrikadierten Häusern befinden sich noch Menschen.

Lützerath, 14.01.2023

Die Villa inmitten von Trümmern und gefällten Bäumen vier Tage nach Beginn der Räumung. Die Villa war das erste besetzte Haus in Lützerath.

Lützerath, 13.11.22

Die Aktivistin Schildkröte in der „Reihenhaussiedlung“, die sie mitgebaut hat und bewohnt.

Lützerath, 21.5.22

Nessa, Yuri, Petzi und Mütze sehen vom Wall zwischen Lützerath und Tagebau aus den Sonnenuntergang an.

Lützerath, 12.1.23

Seit mehreren Tagen räumt und zerstört die Polizei die Strukturen um den Tower. Eine Hebebühne holt die letzten Aktivist*innen von der Reihenhaussiedlung, die sich innen angekettet haben.

Lützerath, 11.1.23

Früh morgens stürmt die Polizei mit mehreren Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE)  ins Dorf. Alles und jede*r, der im Weg steht, wird gewaltsam beseitigt. Die Aktivist*innen wussten, dass die Räumung unmittelbar bevorstand. Dennoch waren viele überrascht, wie unerwartet und schnell die Polizei das Dorf stürmte.

Lützerath, 12.1.23

Ein Aktivist besetzt nachts eine Traverse, die zu anderen Baumhäusern führt. Die Polizei hält Ausschau nach solchen Traversen, an denen keine Menschen hängen, um diese zu kappen. Oftmals mussten Aktivist*innen die Polizei per Megafon oder über Journalist*innen warnen, besetzte Traversen nicht durchzuschneiden – das hätte den Tod für die Besetzer*innen bedeuten können.

Lützerath, 17.1.23

Die Polizei versucht, Menschen zu stoppen und einzukesseln. Die Aktivist*innen, die nach der Räumung in den Tagebau eindringen wollen, halten zusammen.

Lützerath, 17.1.23

Viele Aktivist*innen brechen aus einer Demo aus und stürmen das Tagebauvorfeld. Obwohl das Dorf komplett geräumt ist, obwohl fast alles platt gemacht wurde, geben die Menschen nicht auf.

Lützerath, 18.10.22

Blick von der Abbruchkante neben dem Dorf auf den Tagebau und einen Kohlebagger an einem nebligen Tag.

Lützerath, 9.10.22

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