Papa macht das schon

Eine aktuelle Studie zeigt: Väter wünschen sich mehr Flexibilität und Zeit für die Familie. Unternehmen, die darauf eingehen, profitieren langfristig.
Von Lena Bastin (Text) und Ilkay Karakurt (Fotos)

Boris ist Landwirt und Vater von fünf Kindern. Er verbringt seine Tage auf dem Traktor, auf den Feldern. Jede freie Minute nutzt er, um Zeit mit seinen Kindern zu verbringen – oder er nimmt sie einfach mit.

Das klassische Familienmodell, in dem die Mutter zu Hause bleibt und sich um die Kinder kümmert, ist noch immer fest in den Köpfen vieler Menschen verankert. Dem gegenüber steht das Bild des Mannes als Hauptverdiener – besonders sichtbar wird dies in großen Unternehmen.

Lennart ist Vater und arbeitet bei der GIS Hannover, einem Träger für inklusive Serviceleistungen. Dort ist er im Regieteam der Schulbegleitung tätig. Seine Frau arbeitet als Grundschullehrerin und ist die Hauptverdienerin. Bei der Erziehung ihrer vierjährigen Tochter haben sie sich für eine fortschrittliche Rollenverteilung entschieden, bei der Lennart als Vater einen großen Anteil an Hausarbeit und Kinderbetreuung übernimmt.

«Bei uns gibt es Früh- und Spätdienste. Da muss ich mich mit meiner Frau absprechen, welchen Dienst ich übernehmen kann», sagt Lennart und ergänzt: «Ganz bis 16 Uhr kann ich nicht anrücken, denn um die Uhrzeit muss ich meine Tochter vom Kindergarten abholen.» Zum Glück sei sein Arbeitgeber flexibel genug, sodass sich Beruf und familiäre Pflichten gut vereinbaren lassen. Doch Lennarts väterfreundliche Arbeitsbedingungen sind bislang noch immer eine Ausnahme.

Über die Fotos in diesem Beitrag

Ilkay Karakurt beleuchtet die persönliche und emotionale Reise, die mit der Geburt seiner Tochter beginnt. Ausgehend von der eigenen Unsicherheit und den Fragen nach seiner Rolle als Vater begleitete er andere Männer in ihrem Alltag. Seine Aufnahmen zeigen intime Momente – vom Frühstückstisch bis zur Gutenachtgeschichte – und werfen einen einfühlsamen Blick auf die vielfältigen Facetten moderner Vaterschaft. Diese Eindrücke veröffentlichte er im Fotobuch «Der Vater hüt’ die Schaf».

Vater hält Sohn auf dem Arm und schaut aus dem Fenster Dennis ist eine enge Bindung zu seinem Sohn sehr wichtig. Obwohl er vollzeit arbeitet, nutzt er jede Gelegenheit, um Zeit mit ihm zu verbringen.

Die Prognos Studie 2022 ergab, dass bereits rund 450.000 Väter in Deutschland ihren Arbeitgeber gewechs­elt haben, weil die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht ausreichend gewährleistet war. Mehr als 1,7 Millionen weitere Väter ziehen diesen Schritt zumindest gelegentlich in Betracht. Besonders beim Thema Elternzeit gibt es nach wie vor große Hürden: Knapp ein Drittel der befragten Väter berichtet von negativen oder abfälligen Kommentaren ihrer Führungskräfte zu ihrem Wunsch nach Elternzeit. 16 Prozent gaben sogar an, unter Druck gesetzt worden zu sein, ihre geplante Elternzeit zu verkürzen.

Diese Erfahrung blieb Lennart erspart. Er nahm insgesamt zwei Monate Elternzeit – den ersten Monat unmittelbar nach der Geburt, den zweiten ein halbes Jahr später.

«Hätten wir es uns finanziell leisten können, wäre eine längere Elternzeit überhaupt kein Thema gewesen», sagt Lennart. «Von befreundeten Vätern habe ich jedoch ganz andere Erfahrungen gehört. Da hieß es dann: ‹Warum macht das nicht die Mutter?› oder sogar: ‹Mal schauen, ob wir nach deiner Elternzeit überhaupt noch einen Platz für dich haben.›»

Sven (links) und Felix teilen sich die Erziehung ihres Sohnes mit seiner Mutter in einer nicht-romantischen Beziehung. Er lebt abwechselnd bei seiner Mutter oder seinen beiden Vätern.
Thorben ist für sechs Monate in Elternzeit und kümmert sich um seine beiden Töchter, während seine Frau vollzeit arbeitet. Er tröstet seine jüngere Tochter, nachdem ihre ältere Schwester ihr versehentlich auf den Kopf getreten ist.

Nicht nur bei der Frage um die Elternzeit ist die Väterfreundlichkeit der deutschen Wirtschaft ausbaufähig, ergab das Fazit der Prognos Studie.

Jeder zweite Vater gibt an, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kein regelmäßiges Thema in Jahresgesprächen sei. Dieses Versäumnis räumt knapp ein Drittel der Unternehmen sogar selbst ein. Ob männliche Mitarbeiter überhaupt Väter sind, erfahren Führungskräfte oft nur beiläufig – selbst in Personalgesprächen spielt die Vaterschaft meist keine Rolle.

Laut Prognos-Studie gelten lediglich 27 Prozent der Unternehmen in Deutschland als familienfreundlich. Im Umkehrschluss unterschätzen 73 Prozent der Betriebe ihre Defizite deutlich und überschätzen zugleich die eigene Väterfreundlichkeit.

Auf die Frage, was Väter von Unternehmen erwarten, antwortet Lennart: «Mehr Flexibilität und Verständnis. Möglichkeiten, in Teilzeit zu arbeiten, und eine bessere Verteilung der Aufgaben. Zwei Halbtagskräfte ergeben schließlich auch eine Vollzeitstelle. Entscheidend ist aber, dass Führungskräfte ihre festgefahrenen Rollenbilder überdenken – der Vater ist heute nicht mehr zwangsläufig der alleinige Versorger. Das ist jedoch eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft.»

Am Abend liegt ein Vater mit seinem Kind auf einem Sofa. Das Licht eines elektornischen Gerätes fällt ins Gesicht der beiden. Vertieft schauen sie auf die Oberfläche. Alex bringt immer seine Tochter ins Bett, seine Frau ihren Sohn. Jeden Abend wählt die Tochter ein Bild für die Einschlafroutine aus – meist ein Familienfoto, das sie sich gemeinsam ansehen.

Laut Prognos-Studie haben viele Unternehmen mittlerweile erkannt, dass Familienfreundlichkeit entscheidend ist, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben. Angesichts des gesellschaftlichen Wandels sollten sie sich aktiv auf den Weg machen, familienfreundliche Strukturen zu etablieren – auch, um ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern.

Lennart blickt optimistisch auf eine väterfreundlichere Wirtschaft: «Ich denke, wir sind grundsätzlich auf dem richtigen Weg. Wichtig ist, dass auch kommende Generationen von Vätern zeigen, dass es anders geht. Vielleicht ist es dann in ein paar Jahren völlig selbstverständlich, dass Väter Elternzeit nehmen und um 14 Uhr ihr Kind vom Kindergarten abholen.»


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