Geburt im Geborgenen
Geburtshäuser gelten als Alternative zu Kreißsälen. Wie arbeiten die Hebammen dort? Ein Ortsbesuch in Hannover-Herrenhausen. Von Anjou Vartmann (Text und Fotos)
Im Geburtshaus Herrenhausen sind seit 2017 über 300 Kinder zur Welt gekommen. Die Hebamme Evelyn hat das Haus in der Nähe der Herrenhäuser Gärten in Hannover angemietet und umgebaut. Gemeinsam mit vier bis fünf anderen Hebammen betreut sie dort Mütter, die nicht in einem Kreißsaal entbinden wollen. Im Geburtshaus Herrenhausen stehen zwei Zimmer zur Verfügung, Gebärende können sich vor der Entbindung eins aussuchen. Die verfügbaren Plätze sind bereits Monate im Voraus ausgebucht.
In Deutschland herrscht Hebammenmangel. Viele freiberufliche Hebammen können die Gebühren für die Versicherung einer Geburtsbegleitung nicht mehr bezahlen. In den vergangenen Jahren schlossen viele Kreißsäle, andere sind dauerhaft unterbesetzt. Immer mehr freiberufliche Hebammen entscheiden sich dafür, nur noch Schwangerschaftsbetreuung und Nachsorge anzubietenden – oder den Beruf gleich ganz zu wechseln.
Viele Hebammen suchen nach Alternativen zu teurer Freiberuflichkeit und unterbesetzten Kreißsälen. Geburtshäuser sind für viele von ihnen eine gute Option. Im Geburtshaus melden sich werdende Mütter frühzeitig an, um während der gesamten Schwangerschaft und der anschließenden Geburt dort betreut zu werden. Eine 1:1-Betreuung ist hier keine Ausnahme, sondern Alltag.
Hannover, Januar 2023: Das Geburtshaus Herrenhausen von außen.
Pro Jahr finden in Deutschland circa 700 000 Geburten statt. Gebärende haben die Wahl zwischen einer Hausgeburt, der Geburt im Krankenhaus oder der Geburt im Geburtshaus. Ungefähr 120 Geburtshäuser stehen dafür in Deutschland zur Verfügung. Zur Geburtsvorbereitung und für die eigentliche Geburt kommen die Gebärenden in das Geburtshaus und werden dort von ihrer Hebamme begleitet. Das Geburtshaus ist ein Kraftort für die Gebärenden, an dem diese selbstbestimmt und natürlich gebären können.
Hannover, Januar 2023: Die Hebamme hört den Bauch der Gebärenden ab. Mit einer ihrer Hände fühlt sie nach den Bewegungen des ungeborenen Kindes.
Die Hände der Hebamme sind ihr wichtigstes Werkzeug. Mit ihnen tastet sie nach dem Kind, fühlt wie es im Bauch positioniert ist und wie es sich bewegt. Um die Herztöne des Kindes zu kontrollieren, benutzt die Hebamme ein Pinard-Stethoskop.
Hannover, Januar 2023: Ein Jutebeutel steht auf dem Fußboden. Er ist gefüllt mit Karteikarten.
Viele Kreißsäle sind dauerhaft unterbesetzt und mussten daher in den vergangenen Jahren schließen. Es gibt nicht genug Hebammen, um den Bedürfnissen der Gebärenden gerecht zu werden. Der Hebammenmangel in Deutschland führt auch dazu, dass Gebärende oft monatelang nach einer Hebamme suchen müssen oder im Kreißsaal alleine sind, da sich die zuständige Hebamme um mehrere Gebärende gleichzeitig kümmern muss.
Im Geburtshaus betreuen meist zwei Hebammen eine Gebärende.
Die zur Verfügung stehenden Plätze sind Monate im Voraus ausgebucht.
Hannover, Dezember 2022: Eine rotgekleidete Hebamme steht am Fenster und telefoniert. Um sie herum herrscht Chaos.
Die Farbe Rot ist die Wahlfarbe der Hebammen. Studien belegen, dass Rot die Lieblingsfarbe der Neugeborenen ist, da diese die erste Farbe ist, die sie im Mutterleib sehen können. Daher ist einerseits die Geburtsbekleidung Rot, aber auch viele der Lampen in den Geburtsräumen leuchten rot.
Hannover, Januar 2023: Die Hebamme sitzt mit einer Gebärendenden auf dem Sofa.
Ein essentieller Teil der Hebammenarbeit findet in Gesprächen mit den Gebärenden statt.
Viele der Gebärenden haben Ängste und Sorgen oder sind durch frühere Schwangerschaften oder Geburten traumatisiert.
Die Hebamme unterstützt die Gebärenden, versucht im Gespräch Sorgen zu nehmen und klärt die Gebärenden über die Schwangerschaft und den Geburtsverlauf auf.
Damit bringen sie die Gebärdenden in ihre eigene Kraft und stärken ihr Selbstbewusstsein hinsichtlich der Geburt.
Hannover, Dezember 2022: Ein geöffneter Kalender liegt auf einem Tisch. Auf dem Kalender liegen zwei Handys und ein Stift. Der Kalender ist gefüllt mit Terminen.
Viele Hebammen benutzen zwei Handys. Das Geburtstelefon ist nur für Geburten oder Notfälle bestimmt.
Hannover, Januar 2023: Zwei rotgekleidete Hebammen stehen/ sitzen gemeinsam an einem Tisch. Sie schauen auf ein vor ihnen liegendes Dokument. Um sie herum liegen viele weitere Papiere, aber auch Nahrungsmittel und andere Dinge.
Häufig haben die Hebammen zwischen ihren Terminen nur wenig Zeit für Pausen oder Gespräche mit anderen Hebammen. Die Hebammen im Geburtshaus Herrenhausen erledigen alle anfallenden Jobs: natürlich einerseits die Hebammenarbeit, aber auch Organisatorisches, Büroarbeiten und Putzen. Die kurzen Pausen zwischendurch werden oft für alles gleichzeitig genutzt.
Hannover, Januar 2023: Die Hebamme läuft eine Treppe hinauf.
Auch im Geburtshaus kommt es vor, dass zwei Geburten gleichzeitig stattfinden. die Hebammen müssen oft mehrere Nächte in Folge durcharbeiten.
Manchmal passiert tagelang nichts.
Hannover, Januar 2023: Eine Gebärende liegt auf dem Sofa, neben ihr sitzt die Hebamme. Diese hält unterstützend die Hand der Gebärenden.
Hannover, Januar 2023: Ein Neugeborenes liegt auf einem Wickeltisch. Die Hebamme steht vor dem Kind und trocknet es mit einem roten Handtuch ab.
Im Geburtshaus Herrenhausen sind bisher circa 300 Kinder geboren worden. Nach einer Geburt haben die Eltern und das Neugeborene ein paar Stunden Zeit, sich aneinander zu gewöhnen, erst dann werden die ersten Untersuchungen durchgeführt.
Hannover, Dezember 2022: Eine Wand hängt voll mit Danksagungskarten. Es sind viele Bilder von Neugeborenen mit ihren Eltern zu sehen. Das Wort „Danke“ steht auf fast allen dieser Karten.
Hannover, Dezember 2022: Durch einen Flur ist eine Fensterfront zu sehen. Vor den Fenstern liegen ein paar Kissen, die in den Geburtsräumen benutzt werden können.
Nach einer Geburt herrscht eine besondere Stille im Geburtshaus. Die Eltern und das Neugeborene lernen sich kennen. Die Hebammen lassen die Geburt Revue passieren.
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