Fähre zwischen den Welten

Von Dänemark über die Färöer-Inseln nach Island – eine Fahrt durch die raue Schönheit des Nordatlantiks auf einer historischen Route. Von Stella Meyer, Sarah Schneider (Text) und Lisa-Maria Gruber (Fotos)

After around 24 hours, the ferry passes the Shet-land Islands – where the North Sea meets the North Atlantic. Copyright: Lisa-Maria Gruber. Use by arrangement only

Die MS Norröna verbindet seit 2003 die abgelegenen Färöer-Inseln und Island mit dem europäischen Festland. Von Hirtshals, einem malerischen Hafenort an der Nordspitze Dänemarks, über die Färöer-Inseln bis nach Seyðisfjörður in Island transportiert sie unzählige Reisende und Güter. Die Überfahrt dauert etwa 48 Stunden und umfasst in der Regel zwei Übernachtungen an Bord. Mit einer Kapazität von bis zu 1.500 Passagieren ist die MS Norröna eine der größten Fähren der Region.

Die historische Bedeutung dieser Seeroute reicht bis in die Wikingerzeit zurück, als die Nordmänner mit ihren Knorr-Handelsschiffen den Atlantik überquerten. Diese Tradition setzt der 57-jährige Färinger Bogi Peterson fort, der seit 40 Jahren als Kapitän durch die hohen Wellen navigiert. «Mein Vater war ein Seemann, mein Großvater war ein Seemann – es liegt mir im Blut», erzählt er.

Mit einer Länge von knapp 170 Metern und breiten Bauweise ist die MS Norröna ideal für die rauen Bedingungen des Nordatlantiks ausgestattet. Sie bietet Platz für 800 PKW und Kabinen für rund 1.500 Passagiere. Die Fähre transportiert wichtige Güter für die Färöer-Inseln, insbesondere Holz, das dort aufgrund der kargen, felsigen Landschaft und salzigen Winde knapp ist. Im Gegenzug bringt sie frischen Fisch, vor allem Lachs, zurück aufs Festland – ein bedeutender Teil des färöischen Exports.

Doch die MS Norröna ist mehr als nur ein Transportmittel. Sie bietet eine Ruheoase in unserer hektischen Welt. «Auf See gibt es nichts, was dich stresst», sagt Chefingenieur Eyðun Djurhuus. «An Bord zu sein, ist alles, womit wir uns hier befassen müssen.» Auch die 24-jährige Daniella Lykke findet Trost in ihrer Arbeit an Bord: «Immer wenn ich aufs Oberdeck gehe und das offene Meer sehe, beruhigt mich das. Alle Probleme an Land verschwinden.»

Mit gemütlichen Kabinen, Restaurants, einer Sauna und Unterhaltungsmöglichkeiten wie einem Playstationraum, Nachtclub und Casino bietet die MS Norröna ihren Passagieren alles, um dem hektischen Alltag zu entfliehen und sich in der Weite des Ozeans treiben zu lassen.


Auf See gibt es nichts, was dich stresst. Zuhause läutet ständig das Telefon und verlangt deine Anwesenheit. An Bord zu sein, ist alles, womit wir uns hier befassen müssen.

Chefingenieur Eyðun Djurhuus
Eine Möwe gleitet über dem rauen Nordmeer. Fotografiert vom Deck der MS Norröna.

„Als Kind träumte ich davon, Navigator und Segler zu sein. Ich habe mit sechs oder sieben Jahren Segeln gelernt. Ich segelte mit meinem Opa in kleinen Booten. Ich bin nahe am Meer aufgewachsen, deshalb fühle ich eine starke Verbindung zum Meer.“ – Bogi Peterson, Kapitän der MS Norröna

Daniella Lykke (links, 24) und Pauline Gibbas (rechts, 23) stehen nebeneinander auf dem Deck der MS Norröna. Der Wind weht durch ihre Haare. Das nordische Klima ist sehr rau. Daniella ist Dänin und arbeitet seit zwei Jahren im Housekeeping, während Pauline aus Polen stammt und sich mit ihrer Arbeit an Bord ihr Musikstudium finanziert.

Daniella Lykke (l, 24) ist Dänin und arbeitet seit zwei Jahren im Housekeeping. Um ihren Kopf frei zu bekommen, geht sie ans Meer. Pauline Gibbas (r, 23) ist aus Polen und kam durch ihren Onkel an Bord. Mit ihrem Verdienst finanziert sie sich ihr Cello, denn sie studiert Musik.

Eine Nahaufnahme von Martin Vágoy, der Küchenchef der MS Norröna. Er trägt eine schwarze Uniform und schaut mit einem nachdenklichen Blick zum Fenster hinaus, auf die Weiten der See.

Seit 2016 ist Küchenchef Martin Vágoy Teil der Schiffsbesetzung. Fun Fact: Letztes Jahr hat er seinen Ein-Millionsten Pfannkuchen gebraten.

Ein Mann in Uniform sitzt in der Kontrollzentrale der MS Norröna, umgeben von Bildschirmen und Schaltpulten. Er wirkt konzentriert, während er in der technischen Umgebung arbeitet, die mit Diagrammen und Notizen an der Wand hinter ihm ausgestattet ist.

„Ich bin verantwortlich für alle Motoren an Bord und verwalte das Budget für die Maschine. Ich überwache den Kauf aller Ersatzteile für den Maschinenraum und das alte Schiff. Ich leite dort unten ein Team von 24 Personen – 12 Personen an Bord und 12 zu Hause. Wir arbeiten in einer Vier-Wochen-Rotation: vier Wochen an Bord und dann vier Wochen zu Hause.“ Eyðun Djurhuus ist 54 Jahre alt, ursprünglich von den Färöer-Inseln, und arbeitet als Chefingenieur an Bord der Norröna.


Mein Vater ist Seemann, daher bin ich auf See aufgewachsen und fühle eine tiefe emotionale Verbundenheit damit. Während einige das Leben auf einem Boot als bloßen Job betrachten, empfinde ich eine Erfüllung darin.

Lovisa Duvander, Oberkellnerin
Helmut Zimmermann sitzt in einem der vielen Räume der MS Norröna. Er trägt eine runde schwarze Brille, hat einen weißen Bart und eine Glatze. Mit seiner Hand stützt er seinen Kopf, während er in Erinnerungen schwelgt.

Helmut Zimmermann erinnert sich gerne an seine Erfahrungen als Seemann zurück. Ein Kapitel seines Lebens, das von einer tiefen Wertschätzung für die Weite des Meeres geprägt war. Auch heute noch findet er Glück in der Weite des Ozeans.

Im Maschinenraum der MS Norröna steht eine Spielzeugfigur von Arielle die Meerjungfrau.

Die Besatzung bemüht sich, eine positive Stimmung und Atmosphäre an Bord aufrechtzuerhalten. Dies ist wichtig, da viele von ihnen weit weg von zu Hause sind.

Ein Besatzungsmitglied steht im Innenraum der MS Norröna, wo mehrere leere Tische und Stühle vor großen Fenstern stehen. Das sanfte Licht des frühen Abe
nds schafft eine träumerische Atmosphäre.
Der Kapitän der MS Norröna

Bogi Peterson ist 57 Jahre alt, stammt ursprünglich von den Färöer-Inseln und ist der Kapitän an Bord der Norröna.


Wenn ich auf dem Schiff bin und auf den Ozean schaue, ist es so, als würde ich meinen Geist spüren.

Daniella Lykke
Eine Kabine der MS Norröna ist mit einem Bett ausgestattet. Man hat durch ein kleines Fenster den Blick aufs Meer. Ein wenig Licht scheint durch den Raum und sorgt für eine gemütliche Atmosphäre.

Auf Deutsch übersetzt sich ‚Nordmeer‘ ins Färöische als ‚Norröna‘. Die Reise nach Island von März bis Mai und von Mitte August bis November dauert etwas über drei Tage.

Eine Gruppe von Reisenden befindet sich im Aufenthaltsraum der MS Norröna. Gemeinsam sitzen sie an einem Tisch und spielen ein Würfelspiel. Im Hintergrund sieht man weihnachtliche Dekoration und eine große Fensterfront.

Während der Reise von Tórshavn nach Hirtshals spielen Reisende ein Würfelspiel.

Die MS Norröna passiert die raue Landschaft der Färöer Inseln. In der Ferne regnet es. Inmitten des Nordatlantiks befinden sich die Inseln mit satten grünen Wiesen und Wasserfällen.

Die raue Landschaft zeichnet sich durch üppige grüne Wiesen, steile Wasserfälle und hohe Klippen aus. Die abgelegene Lage, die von Wolken verhüllten Berge und das wechselhafte Wetter verleihen diesem Ort eine mystische Atmosphäre. Hier kann man alle vier Jahreszeiten an einem einzigen Tag erleben.

Rakul Mikkelsen schaut verträumt zur linken Seite. Sie steht in ihrer Uniform auf der MS Norröna, denn sie arbeitet als Kellnerin an Bord.

„Wenn ich auf dem Wasser bin, verspüre ich ein tiefes Gefühl der Ruhe. Es ist, als ob ich mich von der Welt abkoppeln und einfach Mitten im Nirgendwo existieren könnte. Ich genieße das Leben mit meinen Kolleg:innen.“ – Rakul

Unter anderem befindet sich ein Spielautomat und ein Hocker im Casino der MS Norröna. Rechts daneben gibt es ein Fenster, welches für Tageslicht im Rauminneren sorgt. Man sieht die Wellen des Nordatlantiks.

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Das Innere der MS Norröna wird in warmes Licht der Abendsonne getaucht. Stühle und Tische im 50er Jahre Look sind im Raum platziert. Im Hintergrund sieht man den Nordatlantik durch die Fensterfront.

Die Nordsee wird von Sonnenlicht durchflutet, ihre Oberfläche ist ruhig und der Wind flüstert kaum. Die MS Norröna ist nicht nur ein Schiff, sondern ein Symbol der Verbindung und ein Bewahrer einer Geschichte, die so alt ist wie die See selbst.


Mein Vater war ein Seemann, mein Großvater war ein Seemann und so weiter. Als Kind habe ich deshalb oft davon geträumt, selbst Kapitän zu sein und zu segeln. Es liegt mir also fast im Blut oder in meiner DNA

Kapitän Bogi Peterson