Gesucht: Wanderschäfer (m/w/d)

Der Beruf der Wanderschäferei verschwindet langsam von den Weiden. Warum es trotzdem gute Gründe gibt, diese Arbeit nicht einfach aussterben zu lassen. Von Annica-Farina Badowski (Foto) und Anjou Vartmann (Text)

Zwei Hütehunde stehen aufmerksam im hohen Gras einer Wiese, während am rechten Bildrand der Arm eines Menschen mit einer wetterfesten Jacke und einem Holzstock sichtbar ist. Die Szene vermittelt eine Arbeitsatmosphäre in der Natur. Schwarz-weiß-Fotografie.
06.05.2024_Westerhausen, Melle_Die Hütehunde sind für die Arbeit als Schäfer essenziell. Josef Uhlen trainiert sie selbst von klein auf.

Im September, wenn der Morgentau die Wiesen im Osnabrücker Land überzieht, bricht Josef Uhlen zur traditionellen Herbstwanderung auf. Etwa 600 Schafe und zwei Altdeutsche Hütehunde folgen ihm durch Felder und Wälder. Diese jährliche Wanderung ist mehr als bloß der Wechsel von Weideflächen – sie ist eines der letzten Zeugnisse einer jahrhundertealten Tradition, die zunehmend verschwindet. «Das Futterangebot bestimmt den Weg der Herde», sagt Uhlen.

Mit 69 Jahren steht Uhlen vor einer ungewissen Zukunft: Es findet sich keine Person, die die Arbeit fortführen möchte. Die Wanderschäferei, einst selbstverständlicher Teil der ländlichen Kultur, kämpft ums Überleben. In Deutschland ist die Zahl der hauptberuflichen Schäfereien stark gesunken: Gab es 2010 noch mehr als 1.100 Betriebe, sind es heute nur noch etwa 930. Gründe dafür sind vielfältig: niedrige Einkommen, hoher Arbeitsaufwand und fehlende gesellschaftliche Anerkennung. Dabei leisten Schäfer einen unverzichtbaren Beitrag für Landschaftspflege und Biodiversität.

Ein Wanderschäfer mit Hut und langem schwarzen Mantel führt eine Herde Schafe durch hohes Gras durch einen Wald. Vor dem Mann laufen zwei Hütehunde. Schwarz-Weiß-Fotografie. 06.05.2024_Westerhausen, Melle_Josef Uhlen führt seine Schafe um die Mittagszeit zur nächsten Weide. Der Weg führt durch ein kleines Waldstück. Auf der Weide werden sie für ein paar Stunden gehütet, bevor sie für die Nacht eingezäunt werden.

Das Futterangebot bestimmt den Weg der Herde.

Josef Uhlen

Seit über 40 Jahren pachten Josef und sein älterer Bruder Willi Flächen im Nemdener Bruch – eine Landschaft, die durch intensive Landwirtschaft nicht nutzbar ist, aber dank der Schafe ökologisch wertvoll bleibt. Der Betrieb ist seit 1912 in Familienhand. Während Willi den Hof und die Büroarbeit übernimmt, zieht Josef jeden Tag mit der Herde weiter. «Im Urlaub war ich das letzte Mal vor 20 Jahren», sagt er, ohne Groll. Doch ohne Nachwuchs droht auch diese nachhaltige Nutzung verloren zu gehen.

Die Wanderschäferei ist nicht nur ein Beruf, sondern ein Lebensstil im Einklang mit der Natur. Ihr Verschwinden würde nicht nur das Ende einer Tradition bedeuten, sondern auch den Verlust einer nachhaltigen Form der Landschaftspflege. Schafe tragen durch ihre Beweidung dazu bei, artenreiche Lebensräume zu erhalten, Böden vor Erosion zu schützen und die Biodiversität zu fördern.

Ein Schaf steht neben zwei großen, sackähnlichen Bündeln. Auf einem der Bündel ist ein handgeschriebenes 'K' zu sehen. Im Hintergrund ist eine Wellblechwand und einige senkrecht stehende Metallstangen zu erkennen. Der Boden ist mit Gras bedeckt. Schwarz-Weiß-Fotografie. 07.06.2024_Westerhausen, Melle_Während die Schafe geschoren werden, wartet ein Schaf vor den Säcken mit geschorener Wolle.
17.05.2024_Westerhausen, Melle_Portrait Josef Uhlen
Schwarz-Weiß-Aufnahmen eines Schäfers mit Stock und Hut, der eine Schafherde und einen Schäferhund auf einem Feldweg begleitet, im Hintergrund eine ländliche Idylle mit Wiesen und Dorf. 06.05.2024_Westerhausen, Melle_Josef Uhlen führt seine Schafe um die Mittagszeit zur nächsten Weide. Dort werden sie für ein paar Stunden gehütet, bevor sie für die Nacht eingezäunt werden.

Im Urlaub war ich das letzte Mal vor 20 Jahren.

Josef Uhlen
07.06.2024_Westerhausen, Melle_ Zum scheren der Schafe wird einmal im Jahr ein externes Team von SchererInnen beauftragt.
07.06.2024_Westerhausen, Melle_ Zum scheren der Schafe wird einmal im Jahr ein externes Team von SchererInnen beauftragt.
Ein älterer Mann mit Hut liegt im hohen Gras und schaut in die Ferne. Im Hintergrund sind ein Wald und ein altes Fachwerkhaus zu sehen. Schwarz-Weiß-Fotografie. 06.05.2024_Westerhausen, Melle_Seine Mittagspause verbringt Josef Uhlen meist bei den Schafen, mit Apfelschorle und belegtem Brot.

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