Gen Z – Die vermeintlich faule Generation
Faul. Verwöhnt. Anspruchsvoll. Die Gen Z kämpft um ihren Ruf – vor allem die Arbeitsethik wird von vielen Älteren in Frage gestellt. Doch was ist dran an der Vorurteilen gegenüber der jungen Generation? Von Jule Müller

Foto: Jan Stempel und Emil Eichinger
Wer in den Jahren zwischen 1995 und 2010 geboren wurde, gehört laut Definition zur Generation Z, kurz Gen Z, und muss sich dieser Tage viel vorwerfen lassen. Sie zeige mangelnde Arbeitsbereitschaft, sei verwöhnt, wenig belastbar und habe zu hohe Erwartungen gegenüber ihres Arbeitgebers. Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas de Maizière teilt diese Ansicht. In einem Interview mit der «Zeit» sagt er, ihm gehe die Anspruchshaltung vieler in der Generation Z gegen den Strich. Doch was steckt eigentlich hinter all diesen Vorwürfen, woher kommen sie und ist da überhaupt etwas dran?
Martin Schröder, Professor für Soziologie an der Universität des Saarlandes, hat sich mit genau diesen Fragen beschäftigt. Im Interview mit dem «RedaktionsNetzwerk Deutschland» gibt Schröder zu, dass auch er zunächst davon überzeugt war, die Gen Z habe keine Lust zu arbeiten. Schließlich sehe er die mangelnde Arbeitsmotivation die ganze Zeit bei den Studierenden in seinen Seminaren. In einer Untersuchung wollte er wissenschaftlich nachweisen, was ohnehin schon jeder wisse. Dafür nutzt er über 600.000 Befragungen mit Menschen aus über 100 Ländern. Das Ergebnis fiel allerdings anders aus, als der Professor erwartete – er konnte so gut wie keine Unterschiede zwischen den Generationen feststellen.
Junge Leute beteiligen sich heute sogar stärker am Arbeitsmarkt als in den vergangenen Jahrzehnten.

Dass es der Gen Z nicht an Arbeitsmotivation fehlt, zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Die Erwerbsbeteiligung der 20-24-Jährigen ist so hoch wie zuletzt Mitte der 1990er Jahre. Nachdem sie von 1995 bis 2015 kontinuierlich gesunken war, gelang es der Gen Z, diesen Abwärtstrend zu stoppen. Seit 2015 bis 2023 stieg die Erwerbsbeteiligung erstmals wieder deutlich um 6,2 Prozentpunkte. Im Vergleich zur Erwerbsbeteiligung der 25- bis 64-Jährigen, die im selben Zeitraum lediglich um 2,8 Prozentpunkte stieg, stellt der Anstieg bei den 20- bis 24-Jährigen eine überdurchschnittliche Entwicklung dar. Das Fazit des IAB ist eindeutig: Junge Leute beteiligen sich heute sogar stärker am Arbeitsmarkt als in den vergangenen Jahrzehnten.
Dieser Trend ist vor allem einem gewachsenen Anteil von Studierenden mit Nebenjobs geschuldet. Zwischen 2015 und 2023 erhöhte sich die Erwerbsquote unter Studierenden im Alter von 20-24 Jahren um gut 19 Prozentpunkte auf 56 Prozent, bei Nicht-Studierenden um knapp zwei Prozentpunkte auf fast 86 Prozent. Auch die kürzere Studienzeit ist ein Erklärungsansatz. Mit der Bologna-Reform 2002 wurde ein flexibleres Studiensystem eingeführt, das ermöglicht, nach dem Bachelorabschluss früher in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Dies trägt maßgeblich zum Anstieg der Erwerbsbeteiligung bei, da viele Studierende bereits während oder direkt nach ihrem Bachelor eine Berufstätigkeit aufnehmen.
Wieso wird die Generation Z also trotzdem als arbeitsfaul abgestempelt? Im Interview mit dem «RedaktionsNetzwerk Deutschland» erklärt der Soziologe Schröder, wie es zu der Annahme kommt. Zunächst stimme die Beobachtung, dass im Vergleich die jungen Menschen weniger Lust auf Arbeit haben als die alten. Nur seien dies keine Generationseffekte. Junge seien schon immer weniger motiviert gewesen zu arbeiten und wir alle seien es heute weniger als früher.
Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.

So galt schon vor 2400 Jahren das Stereotyp, dass die Jugend den Luxus liebt, schlechte Manieren hat und die Autorität verachtet. Denn dieses Zitat wird Sokrates zugeschrieben, der von 469 v. Chr. bis 399 v. Chr. lebte. Ebenso wurde die Generation X, geboren zwischen 1965 bis 1980, in Medien und Popkultur als «Slacker» bezeichnet. Also als träge «Null-Bock»-Generation, die angeblich keinen Ehrgeiz habe. In den frühen 2000er Jahren wandelte sich das Image der Generation X: Nun wurde sie allgemein als unternehmerisch und produktiv am Arbeitsplatz wahrgenommen.
Laut Schröder gibt es noch einen zweiten Grund für die Vorwürfe gegen die Generation Z. «Menschen diskriminieren einfach gerne. Wir teilen andere gerne in Gruppen ein und mit Vorliebe so, dass wir dann zu der besseren Gruppe gehören – also zum Beispiel zu den fleißigen Boomern», sagt der Soziologe. Umgekehrt ist es ebenso problematisch, Menschen pauschal als «Boomer» zu bezeichnen und ihr gesamtes Verhalten auf die Stereotype der Boomer zu reduzieren. Dieses Phänomen des Generationismus reiht sich neben Sexismus oder Rassismus ein. Hier kategorisieren Menschen nicht nach Geschlecht und Hautfarbe, sondern nach Geburtsjahr. Das erlaubt es uns, unsere eigene Gruppe als besser als andere zu sehen, was uns ein befriedigendes Gefühl gibt. Aber das ist mitunter unmoralisch und oft sogar illegal, sagt Schröder.
Die Generation Z legt im Arbeitsumfeld besonderen Wert auf Flexibilität, Wertschätzung, Führungskompetenz und Gesundheitsförderung. Das zeigt die «Trendstudie 2025» des Instituts für Generationenforschung in Augsburg. Laut der Befragung wünschen sich insbesondere jüngere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer flexiblere Arbeitszeitmodelle und die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Etwa 80 Prozent der Generation Z wollen ihre Arbeitszeit gerne flexibel selbst einteilen, gleichauf mit der Generation Y, aber deutlich vor den Babyboomern (60 Prozent). Das Interesse der Gen Z an betrieblicher Gesundheitsförderung ist hoch: 35 Prozent fordern entsprechende Maßnahmen, bei den Babyboomern sind es lediglich etwa 7 Prozent. Genannte Angebote sind psychische Gesundheit und Krankentage bei Menstruationsbeschwerden. Auch das Thema Führung wird von der jungen Generation neu bewertet. Rund ein Drittel der Gen Z wünschen sich mehr Führungskompetenz im Unternehmen – dazu gehören zum Beispiel das Delegieren von Verantwortung und wertschätzender Umgang. In der Generation Y äußerten nur rund 15 Prozent diesen Wunsch. Beim Arbeitszeitmodell «Viertagewoche» zeigt sich ein weiterer deutlicher Unterschied: 28 Prozent der Gen Z befürworten es, bei den Babyboomern sind es nur etwa 7 Prozent.
Neben diesen Zahlen zeigt die Studie, dass sich jüngere Menschen insgesamt weniger stark mit ihrem Arbeitgeber oder ihrer beruflichen Rolle identifizieren. Auch Auszubildende fühlen sich seltener mit ihrem Beruf verbunden als ältere Arbeitnehmer. Studienleiter Hartwin Maas erklärt, dass Mitarbeiter sich künftig noch mehr Flexibilität wünschen werden, damit sich Arbeit besser an die jeweilige Lebenslage anpassen kann – besonders mit Blick auf Frauen. Die Ergebnisse zeigen: Die Gen Z fordert eine moderne Arbeitswelt, in der nicht mehr nur Effizienz, sondern auch Menschlichkeit, Anpassungsfähigkeit und Respekt eine Rolle spielen.
Jung, engagiert, unterschätzt
Auch Paula S. passt nicht ins Bild, das ältere Generationen, wie die «Baby-Boomer», von der Generation Z haben. Paula ist im Jahr 2003 geboren – sie gehört also zu genau der Generation, die arbeitsfaul und verwöhnt sein soll. Doch wirft man einen Blick auf ihr aktuelles Leben, so wird schnell deutlich, dass diese Zuschreibungen nicht auf Paula zutreffen. 2023 besteht die damals 19-Jährige ihr Abitur. 2 Tage nach dem Abiball beginnt sie eine Ausbildung zur Rettungssanitäterin für ein Freiwilliges Soziales Jahr beim «Deutschen Roten Kreuz». Viel Zeit für Urlaub und Freizeit bleibt der frischgebackenen Abiturientin also nicht. Während ihrer Zeit beim Rettungsdienst drückt Paula sich nicht vor ihrer Arbeit. «Ich habe Tag-, Nacht- und 24-Stunden-Schichten gemacht und alle Aufgaben übernommen. Ich habe also genauso gearbeitet wie die Hauptamtlichen dort», erzählt sie. In ihrer schichtfreien Zeit arbeitet die junge Rettungssanitäterin außerdem im Café eines Obstbauern.
Ein Jahr nach dem Abitur beendet die 21-Jährige ihr Freiwilliges Soziales Jahr beim «Deutschen Roten Kreuz». Dann beginnt sie ein ausbildungsbegleitendes Studium zur Ergotherapeutin. Doch den Rettungsdienst gibt sie trotz ihrer Ausbildung unter der Woche und dem Studium am Wochenende nicht auf. Auch wenn das für Paula bedeutet, dass sie an manchen Tagen direkt nach der Berufsschule eine (Nacht-)Schicht übernimmt. Sie sagt, der Rettungsdienst sei wie eine zweite Familie und sie habe die Wache in einem Jahr lieben gelernt und viele Freundschaften geknüpft.
