#BodyPositivity – der Kampf für Respekt
Der Trend zur Selbstliebe verstellt die Sicht auf das Konzept hinter BodyPositivity – und vernebelt das wahre gesellschaftliche Problem. Von Laura Druselmann (Text) und Larissa Bürgi (Fotos)
Seitdem BodyPositivity soziale Netzwerke wie Instagram erreicht hat, wird sie vor allem mit Slogans wie «Liebe deinen Körper» und «Fühl dich schön, so wie du bist» assoziiert. Doch in Wahrheit steckt hinter der Bewegung ein weitaus ernsteres Konzept, das oftmals in Vergessenheit gerät oder gar nicht erst thematisiert wird: Ein Kampf gegen Diskriminierung und für mehr soziale Gerechtigkeit.
«BodyPositivity verlangt nicht, dass man sich selbst schön findet oder seinen Körper liebt – das ist ein ganz gängiges Missverständnis. BodyPositivity verlangt, dass man allen Körpern mit Respekt begegnet», erklärt Kathrin Tschorn. Sie ist BodyPositivity-Inspiratorin aus Berlin und die Gründerin der Informations- und Inspirationsplattform Marshmallow Mädchen. Die Bewegung, die in den 1970er Jahren anfangs als National Association to Advance Fat Acceptance in den USA ins Leben gerufen wurde, verfolgte schon immer ein politisches Konzept gegen die Ausgrenzung und Benachteiligung von vor allem mehrgewichtigen Menschen. Der Begriff Mehrgewicht ist ebenfalls von BodyPositivity geprägt und stellt das wertungsfreie, nicht-diskriminierende Pendant zu Übergewicht dar.
«Es geht nicht nur um Schönheitsideale, sondern darum, dass dicke Menschen fühlbar strukturell diskriminiert werden, und das hat mit diesem Wohlfül-Hashtag bei Instagram nichts zu tun», betont Tschorn. Und sie hat Recht: Wenn man den Hashtag BodyPositivity bei Instagram in die Suchleiste eingibt, erscheinen zahlreiche Postings von Menschen, die dem verbreiteten Idealbild entsprechen – schlank und durchtrainiert. Erst, wenn man eine Weile scrollt, tauchen auch Beiträge auf, die die ursprüngliche Bewegung repräsentieren.
Doch sollte zwischen «guter» und «schlechter» BodyPositivity unterschieden werden? Nein. Allerdings kann die Bewegung in verschiedene Ebenen differenziert werden. Zum einen hat BodyPositivity eine sehr individuelle Seite, auf der die Einzelperson im Fokus steht. Hier geht es darum, zu lernen, sich selbst und seinen Körper anzunehmen – mitsamt den Veränderungen, die er im Lauf eines Lebens durchläuft. Tschorn erklärt: «Man muss sich nicht schön finden oder sich selbst lieben, um bodypositiv zu sein, sondern freundlich mit dem eignen Körper umgehen und bedürfnisorientiert handeln». Hinzu kommt das Verständnis, dass der Wert einer Person nicht davon abhängt, wie sehr sie optisch dem gesellschaftlichen Ideal entspricht. Zum anderen gibt es die politische Ebene, auf der BodyPositivity «Respekt gegenüber allen Körpern» fordert und somit das symbolisiert, wofür die Bewegung seit inzwischen knapp 50 Jahren steht. Kathrin Tschorn erklärt: «BodyPositivity will, dass Körper nicht mehr wichtig sind, also dass wir von diesem Lookismus wegkommen und dem Glauben, an den Körpern der Menschen irgendetwas über sie ablesen zu können».
Durch das mediale Aufkommen der individuellen Definition als neues Schönheitsideal rückt das übergeordnete Ziel der Bewegung in den Hintergrund. Kritik kommt auf: BodyPositivity verherrliche einen ungesunden Lebensstil, verleite Menschen zum Übergewicht oder mache sie krank. Dem entgegnet Tschorn: «Es geht bei BodyPositivity grundsätzlich immer um Respekt und da ist es vollkommen egal, ob jemand gesund oder ungesund, dick oder dünn ist».
Dementsprechend ist BodyPositivity nicht nur als das zu verstehen, was auf Social Media unter einem Hashtag verbreitet oder zu Marketingzwecken genutzt wird. Bei der Bewegung handelt es sich vielmehr um ein politisches Konzept, das seit Jahrzehnten das Ziel verfolgt, mehr soziale Gerechtigkeit und vor allem gegenseitigen Respekt in der Gesellschaft zu schaffen.
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