Prof. Dr. Rolf F. Nohr
Dr. Rolf F. Nohr
2009 Professur für Medienästhetik / Medienkultur, HBK Braunschweig
Gründung und Co-Koordination (zusammen mit Britta Neitzel) der AG Games innerhalb der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM), 2003 – 2012
Projektleiter Forschungsprojekts Strategie spielen. Steuerungstechniken und strategisches Handeln in populären Computerspielen (am Beispiel von Wirtschafts-, Militär- und Aufbausimulationen) (Stiftung NORD/LB-Öffentliche, DFG), 2006 – 2011
Info
Professor für Medienästhetik und Medienkultur
[IMAGE MATTERS]
Vortragender, Autor
ABSTRACT
Panel
Images in Conflict – How to make images matter?
Nützlich? Wirksam? Das Bild und die Gewissheit.
Bilder scheinen nur noch in (sinnentleerten) Fluten massenhaft von uns konsumiert, produziert, archiviert und vergessen zu werden. Der Status des Bildes scheint sich, nicht zuletzt beschleunigt durch technische und soziotechnische Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten, dramatisch verändert zu haben – womöglich aber scheint sich die ganze Welt mit dem Eintreten des ›entauratisierten, reproduzierbaren und technisch generierten‹ Abbildes verändert zu haben.
Einer solchen ›dystopen‹ Perspektive auf das Bild (in Zirkulation) steht aber die Beobachtung gegenüber, dass bestimmte Bilder (auch jenseits des künstlerischen o.ä.) durchaus in der Lage sind zu überraschen, zu informierten, zu beeindrucken oder Wissen zu vermitteln. Eine bestimmte Klasse solcher Bilder möchte ich als ›nützliche Bilder‹ vorstellen und diskutieren.
Mit nützlichen Bildern bezeichne ich ausgewählte Bilder in (medialer) Zirkulation. Gemeint sind funktionale und funktionalisierbare Bilder, die davon geprägt sind, dass sie in einer spezifischen Weise als ›wahr‹ verstanden werden. Ein bestimmter Kanon von Bildern macht in der aktuellen Medienkultur dabei zunächst besonders auf sich aufmerksam: Gewundene DNS-Stränge, Fraktale, multispektrale Satellitenbilder, PET-Scans oder anatomische Schnittbilder sind Teil eines populären visuellen Diskurses geworden. Im Moment ihres ›Auftauchens‹ aus den hermetisch veranschlagten Welten der Labore werden sie auch zum Teil eines common sense. Egal ob wir dabei zunächst von vornehmlich ›virtuellen‹ Erscheinungsformen ausgehen (wie leuchtenden Gehirnschnittbildern, fraktaler Geometrie, künstlich belebter Welten) oder von länger tradierten Formen (der Leiter der Doppelhelix, Mikroskopbilder von Viren und Bazillen, Landkarten oder Röntgenbildern) – all diese Bilder eint ihre ursprüngliche ›Entstehung‹ als epistemologische Werkzeuge.
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Warum sollte ein Nachdenken über den Konnex von Medien und Wissen überhaupt auf das Objekt (bzw. die Praxis) des Bildes oder der Bildwerdung gewendet werden? Womöglich, weil diese Perspektivierung intuitiv verständlich und kaum erklärungsbedürftig erscheint: Der (dominante und operative) Status des Bildes in einer visuellen und/oder medialen Kultur scheint evident. Die Argumentation um solchermaßen ›nützliche Bilder‹ geht dabei zuallererst von dieser Evidenzerfahrung aus: warum erscheint es uns selbstverständlich, Bilder (bzw. eine spezifische Klasse von Bildern) als so zentral für die Verwaltung und Regierung von Kultur, Wissen oder Bildung anzunehmen?
Insofern versteht sich das Projekt der nützlichen Bilder als eine Positionierung in der bildwissenschaftlichen Debatte, die versucht den Begriff des Bildes als eine Materialisierung intersubjektiven Wissens zu verstehen, und gleichzeitig den Prozess dieser Intersubjektivierung als einen diskursiven Aushandlungsprozess zu begreifen. Dabei – und dies scheint nun eine solche Perspektive auf die aufgerufene Fragestellung zu legitimieren – steht der Begriff des Orientierungswissens zentral: im Rahmen einer an Michel Foucault orientierten Diskursphilosophie und in der spezifischen Ausgestaltung der kritischen Diskursanalyse (bzw. im Sinne Siegfried Jägers oder Jürgen Links) ist Wissen immer eine intersubjektiv gültige, temporäre ›Wahrheit‹, eine Kultur und Gemeinschaft dispositiv zurichtende Ordnungsfunktion und Produkt aushandelnder Prozesse.
Insofern sollen bestimmte theoretische Figuren, wie sie vorrangig in der kritischen Diskursanalyse thematisiert werden, speziell in die Bedingungen bild-/ medienwissenschaftlichen Zugriffs überführt werden, dies vor allem deshalb, als mit dem ›Objekt‹ des Bildes ein symbolisches System aufgerufen ist, das vor allem in der öffentlichen, technischen und kommunikativen Zirkulation weiter differenziert und stabilisiert wird. Zentral für einen solchen Ansatz ist dabei, das distinkte Bildobjekt lediglich als Teil eines komplexen und vielschichtigen visuellen Stroms zu analysieren. Wie in jedem diskursanalytischen Verfahren stellt sich also auch hier die Frage, wie die Subjekteffekte und Dynamiken komplexer Wissenssysteme analytisch erfasst werden können, wenn die Analyse einzelner (Bild-) Objekte insofern konsequent zu kurz greifen muss?
ABSTRACT
Aus dem Buch
Images in Conflict – Wie den Bildern Wirksamkeit verleihen?
Kognitives Kartieren. Zum Atlas der Angst von Dirk Gieselmann und Armin Smailovic.
Das journalistische Projekt Atlas der Angst von Dirk Gieselmann und Armin Smailovic soll beispielhaft als eine ‚neue‘ Art des Kriegsjournalismus verstanden und interpretiert werden. Dabei geht es vorrangig darum, auf die Notwendigkeit einer neuen Art des Berichtens vom Krieg abzuheben, die letztendlich durch die Veränderung des ‚Gegenstands‘ Krieg selbst notwendig wird. Es geht weniger um die (subjektive oder dokumentierende) Abbildung des Konflikts als vielmehr um die Rekonstruktion von Erinnerungsbildern, Geschichtsorten und die Kartografierung diffuser Aussagesysteme. Eine spezifische Art der Aufschreibung (als Überlagerung) charakterisiert den Atlas der Angst. Der Atlas unternimmt den Versuch, den Krieg als Konsequenz einer vorausgegangenen ‚Befürchtung‘ (oder Paranoia) zu lesen, und erfasst Krieg, Gewalt und Konflikt als die Konsequenz der Verängstigung. Und er untersucht die Gründe dieser Verängstigung. Er befragt die Erinnerung, er befragt den Raum und die Orte, er untersucht Muster von Orientierung.