Links im Land der Rechten

Zwischen Hügeln und Wäldern kämpft Pit für eine andere Zukunft. Sein Dorf im Erzgebirge wirkt friedlich – bis man genauer hinsieht. Ein filmisches Porträt über das Bleiben, wo das Gehen leichter wäre von Jonathan Bar-Am, Paula Baierlein, Kilian Kämper

Einmal, erinnert sich Pit, saß er mit Leuten aus dem Dorf um eine Feuerschale, als einige von ihnen plötzlich den rechten Arm in die Höhe streckten. Einige, glaubt Pit, machten es aus Überzeugung. Andere, wohl ohne jeden Kontext, «einfach, weil sie es cool fanden», sagt er. Einen Hitlergruß finden hier die wenigsten schlimm.

Mit linker Politik kämpft der 17-Jährige gegen die wachsenden rechtsextremen Tendenzen in seinem Heimatort Altenberg, der zwischen schneebedeckten Bergen, hügeligen Wiesen und Wäldern, idyllisch mitten im Landkreis der Sächsische Schweiz und dem Osterzgebirge liegt.

Bei der Landtagswahl 2024 gewann die AfD in Altenberg mit 39,2 Prozent der Zweitstimmen – ein Plus von vier Prozentpunkten im Vergleich zu 2019. Das Ergebnis steht stellvertretend für den Trend im Erzgebirge, wo rechte und rechtspopulistische Parteien seit Jahren starken Zulauf haben.

In der Region stößt die Partei Die Linke auf so einige Skepsis. Viele verbinden sie mit der DDR-Vergangenheit und sind aus Prinzip dagegen. Dabei ist das kleine Büro der Linken in Altenberg längst mehr als ein Parteistandort. Es dient als Treffpunkt und Rückzugsort für Jugendliche wie Pit, die sich in ihrem Umfeld politisch isoliert fühlen.

Nach der letzten Wahl stand zeitweise nicht fest, ob das Büro überhaupt weiter bestehen kann. Eines Nachts sprengten Unbekannte den Briefkasten des Büros. «Seitdem haben wir keinen mehr», sagt Pit. Für ihn war das kein Zufall, sondern ein Angriff auf alles, was er politisch vertritt.

Die Leute seien hier noch heimatverbunden, so ein Anwohner von Altenberg. «Hier ist alles Friede, Freude, Eierkuchen», sagt eine andere, «die großen Probleme da draußen sind irgendwie weiter weg.» Fast so, als würden sie in einer anderen Welt leben. In Altenberg, da kennt man sich, da grüßt man sich und da weiß man, wo die Leute wohnen. Darum meidet Pit manche politische Streitgespräche. «Wir müssen ja irgendwie miteinander auskommen», sagt er.

Während der Dreharbeiten hat sich Pit auf seine Abitur-Prüfungen vorbereitet


Ich habe hier gar nicht das Gefühl, von braunen Menschen umgeben zu sein!

Anwohnerin

Der Kontakt zu Pit entstand durch ein weiteres Foto-Projekt in Sachsen. Vorab führten die drei Vorgespräche mit ihm, die Geschichte hat sich dann aber erst vor Ort entwickelt, sagen sie. «Wir wollten Pit erzählen lassen: eine junge Stimme, die darstellt, dass es auch im ländlichen Sachsen engagierte, links-politische Menschen gibt. Die Perspektive kommt in der großen Berichterstattung häufig zu kurz», so Jonathan Bar-Am.

Pit selbst hat seine linke Einstellung von seinem Großvater. «Wir haben um 20Uhr immer 15 Minuten Politik geschaut und danach ausgewertet». Er erinnert sich, wie viele vor den sächsischen Landtagswahlen «Sei schlau, wähl blau» sagten. Weil die Politik einen nicht beachten würde.

Viele Menschen hier fühlen sich wirtschaftlich abgehängt. Der traditionelle Bergbau war einmal gewesen und auch strukturelle Probleme gibt es, wie in vielen ländlichen Regionen. Maroder Nahverkehr, geschlossene Krankenhäuser und schlecht geräumte Straßen im Winter. Alltag auf dem Land.

Auf Demos versucht Pit, vor den Nazis zu gehen. «Ich fahre im Bus mit denselben Leuten nach Dresden, gegen die ich später demonstriere», sagt er, «und hoffe dann, dass sie mich nicht erkennen.» Wenn er die Quarzhandschuhe aus den Hosentaschen hängen sieht, wird ihm mulmig zumute. «Ein Schlag, und du hast erstmal einen kurzen Knock-out.» Trotzdem macht Pit weiter. Gerade hier, sagt er, sei es wichtig, nicht aufzugeben und andere Perspektiven aufzuzeigen. Wer bleibt sonst noch?

Für das filmische Porträt über Pit reisten Paula Baierlein, Jonathan Bar-Am und Killian Kämper mehrfach von Hannover nach Altenberg. «Low Budget, mit Schlafsack und Isomatte. Geduscht wurde im Hallenbad, gedreht mit eigenem Equipment, ergänzt durch Leihtechnik der Hochschule», erzählen sie.

Der Film wurde beim Kurzsüchtig-Filmfestival in Leipzig gezeigt und ist für den Deutschen Nachwuchsfilmpreis von up-and-coming, sowie das Europäische Filmfestival Göttingen nominiert.


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