Stephen Mayes

Foto: Trea van Drunen

Stephen Mayes ist Geschäftsführer des Tim Hetherington Trusts. Seit 25 Jahren arbeitet er in der Fotografie in verantwortungsvollen Positionen im Bereich Journalismus, Kunst, Werbung und Mode, zuletzt bei der renommierten Fotoagentur VII, die weltweit führende Fotojournalisten vertritt. Von 2004 bis 2012 war er Jury-Sekretär beim World Press Photo Wettbewerb. Bei Getty Images war er als Senior Vice President verantwortlich für Content Strategie. Später war er als Senior Vice President bei eyestorm.com tätig, die zahlreiche renommierte Künstler vertreten. Stephen arbeitete auch bei Art and Commerce als Leiter des Bildarchivs. Er schreibt und sendet regelmäßig Beiträge über Ethik und Wahrheit in der Fotografie in Zeiten der Digitalisierung.

Homepage
http://www.stephenmayes.co

Info
Executive Director Tim Hetherington Trust

[IMAGE MATTERS]
Vortragender, Autor

ABSTRACT

Panel
Nothing but the Truth – Nichts als die Wahrheit

Wahrheit: Das erste Opfer des Krieges (und der Fotografie).

Die digitale Fotografie präsentiert sich eigentlich ziemlich genau so, wie die Fotografie, die wir schon seit 160 Jahren kennen und wir begegnen ihr mit ähnlichen Erwartungen: Wir sehen Fotografie als ein Medium der Tatsachen, das die Wahrheit abbildet durch so einfache Funktionen wie „Zeuge“ und „Beweis“. Aber mit der Entwicklung der digitalen Prozesse hat sich das Medium gewandelt. Wo das traditionelle analoge Bild zeigt, was der Fotograf gesehen hat, repräsentiert das digitale Bild hingegen, was der Computer in jeder Kamera glaubt, was wir sehen möchten. Das moderne Foto ist das Produkt eines computergenerierten Algorithmus und der Einfall von Licht auf eine fotoempfindliche Oberfläche ist nicht mehr das Ende des Prozesses, sondern der Anfang. Somit haben wir gelernt, den digitalen Prozess zu fürchten, aufgrund seiner Fähigkeit zu verzerren und zu täuschen. Aber wir haben nicht gelernt ihn zu lieben, für die zusätzliche Vielfalt, die er bietet. Unser Verständnis reicht nur soweit, dass wir wissen, dass Pixel manipuliert werden können, und wir haben noch nicht damit angefangen die Folgen der Arbeit mit dem komplexen Wissenssystem, das in jedem digitalen Bild steckt, zu erkennen. Ein digitales Bild in dasselbe konzeptuelle Umfeld einzupassen, das uns geholfen hat, ein analoges Bild zu verstehen, ist, als würde man Wasser in einem geflochtenen Korb transportieren. Der Korb mag zwar wie ein Wassereimer aussehen, aber es ist einfach die falsche Struktur für die Aufgabe und wir verlieren alle Vorteile des alten Prozesses und verweigern uns den Chancen des neuen. Fakten und Wahrheiten sind im Bild keine Einheit mehr und es ist an der Zeit, diese „Scheidung“ selbstbewusst öffentlich zu machen.


ABSTRACT

Buch/Veranstaltung
Nichts als die Wahrheit

Das erste Opfer ist die Wahrheit. Konfliktfotografie als Indikator für ein aufkommendes Verständnis von digitalen Bildern als neuem Medium1.

Digitale Fotografie mutet auf den ersten Blick an wie die Fotografie, die wir seit 180 Jahren kennen, und wir nähern uns ihr mit den gleichen Erwartungen. Doch das indexikalische Medium Fotografie ist weitgehend durch computergenerierte Prozesse ersetzt worden, welche all unsere Auffassung vom Bild als Beweisstück infrage stellen. Ausgehend vom historischen Beispiel der Aufnahmen von Kriegen des 19. Jahrhunderts, die Roger Fenton und Alexander Gardner während eines ähnlichen Umbruchs (des Übergangs von der Zeichnung zur Fotografie) machten, wird argumentiert, dass die Verwendung von Termini eines vergangenen Zeitalters zur Beschreibung eines neuen gewisse Gefahren birgt. Daraus resultierende Missverständnisse drohen die Botschaft zu verzerren, manchmal so weit, dass dargestellte Tatsachen negiert werden. Gleichzeitig verbergen sie die sich entwickelnden Qualitäten und nutzbringenden Möglichkeiten, welche das neue Medium bietet.


1 „Das erste Opfer ist die Wahrheit“: Verschiedene Versionen dieser Wendung sind seit Jahren geläufig, um zu beschreiben, wie Informationen in Konflikten verzerrt werden: Was wir meinen zu sehen, ist möglicherweise nicht das, was wirklich passiert ist. Als erster scheint Samuel Johnson den Satz verwendet zu haben: „Gemeinsam mit allem Elend der Kriege ist auch die schwindende Wahrheitsliebe zu nennen, bedingt durch Lügen, welche das Interesse diktiert und die Leichtgläubigkeit fördert“ (Samuel Johnson: The Idler, 1758; übersetzt aus dem Englischen). Als erster Kommentator im 20. Jahrhundert zitierte den Ausspruch wahrscheinlich der republikanische Senator von Kalifornien Hiram Johnson (1866–1945), und zwar mit den Worten: „Das erste Opfer, wenn der Krieg ausbricht, ist die Wahrheit“.