Politiker*innen souverän interviewen – Die besten Tipps für ein sicheres Auftreten.
Ein Gespräch mit Politiker*innen kann schnell zum Machtkampf werden. Wie du selbst gegen Profis die Oberhand behältst und typische Interviewfallen umgehst.

Friedrich Merz im Interview mit Ex-ZDF-Moderator Klaus Kleber. Spitzenpolitiker*innen wie er sind medienerprobt – sie beantworten täglich Fragen, lenken Themen und nutzen jede Bühne für die eigene Agenda.

Interview mit dem Sender Phoenix. In Gesprächen mit Politiker*innen entscheidet oft die Gesprächsführung darüber, welche Themen überhaupt zur Sprache kommen.
Inhalt
1. Gut vorbereitet ins Interview. Was du vor dem Gespräch wissen musst
2. Im Gespräch die Kontrolle behalten. So führst du souverän durchs Interview
3. Wenn’s knifflig wird. Wie du auf rhetorische Taktiken reagierst
4. Nach dem Interview ist vor dem Beitrag. So gelingt die Auswertung
5. Fehler passieren. Entscheidend ist, wie du damit umgehst
1. Gut vorbereitet ins Interview
Was du vor dem Gespräch wissen musst
Gute Vorbereitung entscheidet über den Verlauf deines Interviews. Stell dich auf ein Kräftemessen ein – «darum, wer im Gespräch die Oberhand behält», sagt Hans-Peter Fischer, Journalistik-Dozent an der Hochschule Hannover.
Politiker*innen verfolgen klare Eigeninteressen – mach dir das bewusst, bevor du ins Gespräch gehst. Willst du souverän auftreten, zählt vor allem eines, sagt Fischer: «Recherche, Recherche und Recherche.»
Folgende Fragen solltest du vor dem Interview klären:
• Für welche Partei geht die interviewte Person in den Ring?
• Was vertritt und verfolgt die Partei, wogegen zieht sie zu Felde?
• Was sind ihre aktuellen Anliegen und Ziele? Wo steht der/die Interviewpartner*in im Kontext der Partei?
• Welche politische Agenda verfolgt er/sie?
• Welche persönlichen Ambitionen hat er/sie noch im Blick?
Wenn du diese Fragen geklärt hast, folgt die inhaltliche Vorbereitung. Du solltest dich im Thema genauso sicher bewegen wie dein Gegenüber. Informiere dich über Fakten, Hintergründe, Konfliktlinien, um nicht die Kontrolle im Gespräch zu verlieren.
Jetzt gilt es sich ein Bild über die Person, mit der du sprechen wirst, zu machen. Hierfür eignen sich vergangene Interviews. Du solltest diese sichten, damit du weißt, worauf du dich einstellen kannst. Frage dich: War die Person in der Vergangenheit eher kooperativ oder konfrontativ? Eloquent oder wortkarg? Beherrscht die Person rhetorische Taktiken und Ausweichstrategien?
Wichtig hierbei ist, dass die gewonnenen Informationen lediglich als Aussicht genutzt werden, schließlich gibt es keine Garantie, dass dein Gegenüber sich beim nächsten Interview genauso verhalten wird. Auch Tagesform und Laune spielen eine Rolle.



Hast du diese Punkte abgehakt, geht es daran, einen Fragenkatalog zu erstellen. Dieser sollte einer Dramaturgie folgen, an der du dich im Gespräch orientieren kannst. Dafür spielen sowohl das Thema, als auch der zeitliche Rahmen eine Rolle. Wenn genug Zeit vorhanden ist, ist es zuträglich, mit unverfänglichen Fragen einzusteigen und die heiklen, spannenden Fragen erst später im Gespräch folgen zu lassen.
Ein gut ausgearbeiteter Katalog kann dir aber nur dann Sicherheit geben, wenn du zwei Dinge beachtest: Du solltest im Vorhinein auf keinen Fall deine Fragen bekanntgeben, ansonsten verlierst du deine Machtposition. Außerdem ist es wichtig, dass du dir trotz Vorbereitung im Gespräch den Raum lässt, auf Antworten spontan zu reagieren.
Unmittelbar vor dem Interview solltest du dir zudem Zeit nehmen, um dein technisches Equipment durchzuchecken. Technische Pannen werfen nicht nur ein unprofessionelles Licht auf dich, sondern können auch an deinem Selbstbewusstsein nagen und sich auf deine Souveränität im Gespräch auswirken. Zudem solltest du klären, ob das Interview vor einer eventuellen Veröffentlichung von der interviewten Person freigegeben werden muss.
Nun ist die Vorbereitung abgeschlossen – du sitzt vor deinem Gegenüber und dem Interview steht nichts mehr im Weg. Oder?
2. Im Gespräch die Kontrolle behalten.
So führst du souverän durchs Interview
Damit sich deine Vorbereitung auszahlt, kommt es vor Ort auf Details an. Die räumliche Situation – sichere dir einen guten Platz. Damit stellst du sicher, dass du dein Gegenüber gut verstehen kannst und nicht schreien musst, damit deine Frage gehört wird.
Halte dich an die gängigen Höflichkeitsformen – unabhängig von deiner eigenen Haltung. «Dein Gegenüber muss dir nicht sympathisch sein, trotzdem solltest du ihm mit Respekt begegnen.», betont Dozent Fischer.
Dein Gegenüber muss dir nicht sympathisch sein, trotzdem solltest du ihm mit Respekt begegnen.

Ein kurzer Smalltalk lockert die Situation für beide Seiten auf. Bist du freundlich, reagiert dein Gegenüber meistens ebenso. Um dich abzusichern, solltest du vorab fragen, ob du das Interview aufzeichnen darfst und die Zustimmung mit einer Aufnahme festhalten. Für die Aufzeichnung selbst liefert ein Smartphone mit einer Aufnahme-App bereits sendefähige Töne.
Kläre vorab, wie viel Zeit dir zur Verfügung steht – so vermeidest du Hektik und Nervosität. Stelle dich dabei darauf ein, dass dein Gegenüber früher als abgesprochen das Gespräch verlassen möchte. Ansonsten läufst du Gefahr, dass du es nicht schaffst, alle relevanten Fragen zu stellen.
Entscheidend ist nicht nur, welche Fragen du stellst – sondern wie.
Prof. Wilfried Köpke ist ehemaliger Journalistik-Dozent an der Hochschule Hannover und erfahrener Interviewer. Im Gespräch kannst du dich an seinen 10 Regeln für eine gelungene Fragen-Praxis orientieren:
1. Neugier folgen und flexibel bleiben
2. Genaue, klare, einfache und natürliche Formulierungen verwenden
3. Kurze Fragen stellen
4. Kettenfragen vermeiden!
5. Suggestivfragen vermeiden!
6. So wenig wie möglich bewerten
7. Angemessene Mischung aus konventionellen und herausfordernden Fragen
8. Vorher klarmachen, wo das Gespräch (inhaltlich) enden soll
9. Zeit zum Nachdenken lassen
10. Während des Gespräches mögliche Anknüpfungspunkte notieren
Achtung: Es ist trotz Überlegungen und Notizen wichtig, in dem Gespräch Präsent zu sein und das auch deutlich zu zeigen. Nur so behältst du die Oberhand.
Sei wach, höre genau zu und lass dir keine Nuancen entgehen! Dazu gehören auch aufrechtes Sitzen und ein wacher, interessierter Blick. Ruhiges Sprechen kann dir außerdem helfen, deine Machtposition im Interview zu sichern.
Neben einer flexiblen Gesprächsführung ist es situationsbedingt auch wichtig, beharrlich zu sein. Wird die Frage nach einem relevanten Aspekt nicht zufriedenstellend beantwortet, musst du solange nachfragen, bis du eine ausreichende Auskunft bekommst. Manche Politiker*innen haben vorbereitete Statements, die sie im Interview wiederholen. An dieser Stelle hilft es, die Frage umzuformulieren, um «eine Blockade vielleicht doch zu umschiffen», so Hans-Peter Fischer.
Wer fragt, kontrolliert.

Für die Politiker*innen ist das Interview eine Möglichkeit, ihre Position darzustellen. Du solltest hingegen im Interesse des Publikums handeln. Für die Bevölkerung kann auch ein Konflikt relevant sein: «Deine Aufgabe ist nicht sicherzustellen, dass Politiker*innen im Interview die ganz große Bühne für sich selbst finden – sondern, dass du Schlaglichter auf die Punkte wirfst, die für das Publikum bedeutsam sind», erklärt Fischer.
Um das zu gewährleisten solltest du auf keinen Fall die Kontrolle oder Gesprächsführung an dein Gegenüber abgeben. Es gilt: «Wer fragt, kontrolliert.»
Was sich einfach anhört, ist in der Praxis leider nicht immer leicht. Politiker*innen wissen genau, wie sie interviewende aus dem Konzept bringen oder die Gesprächsführung an sich reißen können. Aber – auch darauf kannst du dich vorbereiten.
3. Wenn’s knifflig wird.
Wie du auf rhetorische Taktiken reagierst
Verweigert dein Gegenüber trotz mehrfacher Nachfrage eine klare Antwort, sprich es an: Laut dem Experten Fischer, ist dafür «Jetzt haben Sie meine Frage nicht beantwortet, deswegen stelle ich sie erneut» eine geeignete Formulierung. Damit verdeutlichst du nicht nur die Sturheit deines Gegenübers, sondern festigst auch deine Macht-Position.
Politiker*innen beantworten Fragen häufig in einem anderen Kontext. Ziel dieser Taktik ist es einer kritischen Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen oder sogar einen Missstand in ein positives Licht zu rücken.
Dozent Fischer liefert ein mögliches Beispiel hierfür: «So könnten Politiker*innen auf die Frage nach einer möglichen Abschaffung des Dienstwagenprivilegs (Kosten für den Bundesstaat: je nach Schätzung zwischen 3,5 und 13,7 Milliarden Euro) beispielsweise damit antworten, dass diese Förderung von oft großen und hochmotorisierten Fahrzeugen ja ein Konjunkturprogramm für deutsche Automobilkonzerne sei, weil die stark in diesem Segment sind.»
Du musst erkennen, dass dein Gegenüber den «Frame» der Antwort verschiebt. Wenn dich die Auskunft nicht zufriedenstellt, solltest du entsprechend reagieren, deine Frage nochmal stellen und den Kontext verdeutlichen.
Wer in den Konflikt geht, sollte ihn auch aushalten und durchstehen können.

Auch die «Helmut-Kohl-Taktik» kann dir im Interview begegnen: «Interviewte weisen die Frage zurück (‹Das ist doch gar nicht entscheidend!›), formulieren eine eigene Frage (‹Wichtig ist doch: Wie geht’s jetzt weiter?›) und beantworten die dann nach eigenem Gusto», meint Fischer. Hier gilt ebenfalls: Ist dir die Antwort wichtig, solltest du gelassen bleiben und deine Frage wiederholen.
Auch wenn du höflich bleibst: Dein Gegenüber kann dich herablassend behandeln. Kurz gesagt – Journalist*innen werden als «blöd» dargestellt. Hier liegt es bei dir, ob du gelassen reagieren oder einen Konflikt eingehen möchtest. Für Dozent Fischer ist aber eine Sache klar: «Wer in den Konflikt geht, sollte ihn auch aushalten und durchstehen können.»
Manche Politiker*innen geben sich im Interview überschwänglich freundlich – auch das kann Taktik sein. Hier sollte Vorsicht geboten sein, findet der Experte: «Lass dich nicht vereinnahmen – sei freundlich und höflich, aber bewahre deine höfliche Distanz zur interviewten Person.»
Und eins noch: Es passiert zwar selten, trotzdem ist es aber möglich, dass du im Gespräch mit absichtlichen oder unabsichtlichen Unwahrheiten konfrontiert wirst. In einer Live-Situation kommt dann besonders zur Geltung, dass du dich gut vorbereitet hast. Du solltest eine Lüge direkt entlarven, wenn es dir möglich ist. Falls das Interview erst später veröffentlicht wird, kannst du hier natürlich im Nachhinein die Aussage richtigstellen.
Fakten zu checken und gegebenenfalls zu korrigieren ist also essenziell. Aber was gehört sonst noch zur Nachbereitung des Interviews?
4. Nach dem Interview ist vor dem Beitrag.
So gelingt die Auswertung
Transkription
Transkribiere dein Interview – so behältst du den Überblick und kannst Antworten belegen. Dabei können sprachliche Unreinheiten, Versprecher, etc. bestehen bleiben, solange sich den Leser*innen der Sinn erschließt.
Wenn du Zeit sparen willst, kannst du ein Programm nutzen, dass dir einen Teil der Arbeit abnimmt. Hier gibt es einige Optionen, die ohne anfallende Kosten zugänglich sind. Wichtig: Du solltest aber trotzdem selbst nochmal deine Aufnahme anhören und nachbessern, da Fehler nicht ausgeschlossen sind. Beispiele für Transkriptionsprogramme sind Goodtape.io, trint.com, die Text-to-speech-Funktion von Word sowie die Transkriptionsfunktion von Adobe Premiere Pro.
Überarbeitung des Interviews
Da eine Transkription alleine in den seltensten Fällen direkt veröffentlicht werden kann, musst du in der Regel einen weiteren Text aus ihr erstellen.
Mache dir hierfür bewusst, in welcher Form du das Interview veröffentlichen möchtest. Soll dein Produkt dem Frage-Antwort Prinzip folgen oder möchtest du beispielsweise ein Sozial-Protokoll anfertigen, dass es so aussehen lässt, als würde die Interviewende Person selbst erzählen? Bei Politiker*innen-Interviews ist es wahrscheinlich, dass du eine klassische Form wählst, bei der die Auskünfte auf deine Erkundigungen folgen, trotzdem lohnt es sich, individuell zu prüfen, was für dich am meisten Sinn ergibt.
Hast du dich für eine Form entschieden, kannst du dich an die Arbeit machen, dabei gilt es sowohl die Sprache als auch den Inhalt zu prüfen.
Inhaltliche Überarbeitung
Prüfe alle Aussagen auf ihre Richtigkeit. Anschließend kannst du je nach gewünschter Form den Text überarbeiten und an die vorher überlegte Dramaturgie anpassen. Auch die Struktur des Interviews bzw. der Antworten kannst du verändern, damit sie besser zu dem gewünschten Endergebnis passt. Wichtig ist aber, dass du keine Antworten aus dem Kontext reißt oder missverständlich wiedergibst.
Sprachliche Feinjustierung
Hier solltest du grammatikalische Fehler korrigieren und in Absprache mit deinem Medium und Interviewpartner*in gendern. Du solltest du dir außerdem überlegen, wie viele der sprachlichen Eigenheiten deines Gegenübers du behalten möchtest. Dialekte können sympathisch wirken, grammatikalische Fehler soziale Hintergründe sichtbar machen. Häufig ist es trotzdem sinnvoll zu kürzen und beispielsweise überflüssige Füllwörter zu entfernen.
Hast du das Erzählte überarbeitet, kannst du es in die richtige Form übertragen. Zusätzlich kannst du dir einen spannenden Einstieg überlegen und eventuell Klammerbemerkungen hinzufügen, in denen du Emotionen oder Gestik und Mimik der interviewten Personen beschreibst.
5. Fehler passieren.
Entscheidend ist, wie du damit umgehst
Egal, ob bei der Vor- und Nachbereitung oder im Interview selbst – Fehler gehören dazu. (Angehende) Journalist*innen sollten vor allem eines tun: «Aus ihren Missgeschicken lernen und nicht die Nerven verlieren», findet Hans-Peter Fischer.
Fehler passieren – besonders im Gespräch mit Profis. Entscheidend ist, dass du daraus lernst und typische Fallstricke früh erkennst.