Tödliche Frauenfeindlichkeit
Im letzten Jahr wurden 360 Frauen und Mädchen Opfer von Femiziden. Partnerschaftliche Gewalt ist kein Einzelschicksal, sondern ein immer wiederkehrendes Muster. In ihrer Heimatstadt Regensburg dokumentiert Selma von Hennigs (Fotos) Tatorte des Unbegreiflichen.
Text von Meline Bühler.

Ein kurzer Blick über die Schulter, der Haustürschlüssel mit der Hand fest umklammert, die nervöse Unsicherheit, die uns begleitet, wenn wir nachts alleine unterwegs sind. Wir greifen zum Telefon, wenn uns ein Mann verdächtig erscheint, oder entscheiden uns bewusst für den Weg mit der Bahn, um einer potenziellen Gefahr zu entkommen. Für viele Frauen ist das Gefühl von Sicherheit im Alltag alles andere als selbstverständlich. Diese ständige Wachsamkeit, dieses Gefühl von Unsicherheit und Bedrohung, das Frauen selbst in alltäglichen Situationen begleitet, ist ein fester Bestandteil ihres Lebens – ein Leben, das immer wieder von der Frage überschattet wird, wie sicher sie wirklich sind. Doch was bedeutet es, wenn wir uns nicht einmal in den eigenen vier Wänden mehr vor patriarchalen Strukturen und Gewalt schützen können?
Femizide – Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Trotz aller Bemühungen um Gleichstellung und den Schutz von Frauen, zeigen die letzten Jahre, dass geschlechtsspezifische Gewalt in unserer Gesellschaft eine alarmierend hohe Präsenz hat. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 938 Frauen und Mädchen Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten, was einen Anstieg von 1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Femizide sind eine besonders gravierende Form der Gewalt, die eng mit den ungleichen Machtverhältnissen zwischen den Geschlechtern verknüpft ist. Sie spiegeln die männliche Dominanz wieder und dienen oft dem Ziel, eine überlegene Position zu behaupten oder wiederzuerlangen. Daher ist der Großteil dieser Morde im Zusammenhang mit Partnerschaftsgewalt: Rund 80,6 Prozent der weiblichen Opfer wurden von ihrem aktuellen oder ehemaligen Partner getötet.

Am 8. Oktober 2020 tötete ein Mann seine Frau, die Mutter seiner drei Kinder, mit 14 Messerstichen. Er verdächtigte sie aufgrund mehrerer Anrufe einer unbekannten Nummer, Kontakt zu anderen Männern zu haben. Dieser vermeintliche Vertrauensbruch führte zu einer tiefen Kränkung, die er als «persönliche Schande und Ehrverletzung» empfand, «der er nur noch durch die Tötung [der Ehefrau] begegnen konnte.»

Der Tag, an dem Manuela C. starb, war ein Donnerstag im August 1987. Nach einem Stadtbummel verabschiedete sie sich von einem Bekannten an der Bushaltestelle in der Nordgaustraße. Im Anschluss muss sie ihrem Mörder begegnet sein, der sie bis zum nahen Donaudamm zog.
Wie die Polizei bei ihren Ermittlungen feststellte, wurde das Mädchen entkleidet, gefesselt, gewürgt und anschließend in bewusstlosem Zustand in die Donau geworfen. Dort ertrank Manuela C. Am Freitagmorgen gegen 7 Uhr sah ein städtischer Bediensteter den Leichnam in der Donau treiben.

Die damals 26 Jahre alte Maria Baumer war im Mai 2012 verschwunden. Ihr Verlobter und ihre Zwillingsschwester traten daraufhin im November 2012 in der Sendung auf «XY Spezial – Wo ist mein Kind?». Im Fernsehen spielte er den verzweifelten Verlobten und berichtete, wie sehr ihn die Ungewissheit belaste. Doch er hatte Maria getötet und im Kreuther Forst vergraben. Pilzsammler entdeckten September 2013 die Leiche der Frau. Aber erst 2019 konnten die Ermittler das Lügenkonstrukt des Täters zum Einsturz bringen. Im Oktober 2020 wurde der inzwischen 36-Jährige vor dem Landgericht Regensburg zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt.

Eine tote Frau ist in der Nacht zum 30. August 2017 in einer Prostituierten-Wohnung im Kasernenviertel gefunden worden. Die 33-Jährige hat nach Erkenntnissen der Polizei als Prostituierte gearbeitet. Die Frau starb „durch stumpfe Gewalteinwirkung gegen den Halsbereich“.

Am Samstag den 04. Mai 2024 wurde eine 19-jährige Frau tot im Kofferraum ihres Fahrzeugs aufgefunden. Das Fahrzeug war zum Zeitpunkt des Auffindens in einer Tiefgarage eines Baumarktes im Regensburger Stadtnorden abgestellt. Hauptverdächtige sind aktuell der 55-jährige Exfreund und der Vater des Opfers.
Die Zahl der Femizide und der Gewalt gegen Frauen zeigt nicht nur die Schwere des Problems, sondern auch die tief verwurzelte Ungleichheit und die strukturellen Barrieren, die Frauen in unserer Gesellschaft immer noch ausgesetzt sind. Diese Gewalt ist kein isoliertes Phänomen, sondern ein Spiegelbild einer patriarchalen Kultur, die Frauen als weniger wert betrachtet und sie in ihrem Leben und in ihren Rechten einschränkt. Die Männer, die Gewalt gegen Frauen ausüben, sind oft das Ergebnis einer toxischen Männlichkeit, die in einer von Machtdynamiken geprägten Gesellschaft aufwächst.
Es ist dringend notwendig, diese Strukturen zu hinterfragen und eine Kultur der Gleichberechtigung und des Respekts zu schaffen. Frauen müssen in ihrer körperlichen, emotionalen und sozialen Integrität geschützt werden. Es braucht konsequente gesetzliche Maßnahmen, aber auch gesellschaftliche Bewusstseinswandel, die uns als Gesellschaft in die Verantwortung nehmen, diese Gewalt zu beenden.
Hilfs- und Beratungsangebote für von Gewalt betroffene Personen
Das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen ist ein bundesweites Beratungsangebot für Flinta*, die Gewalt erlebt haben oder erleben. Unter der Nummer 116 016 und via Online-Beratung unterstützt es Betroffene. www.hilfetelefon.de
Die App des Vereins Gewaltfrei in die Zukunft e.V. bietet von häuslicher Gewalt betroffenen Personen einen niedrigschwelligen Zugang zu Informationen und Unterstützungsangeboten und soll als Brücke in das bestehende Hilfenetzwerk dienen. Weitere Informationen unter www.gewaltfrei-in-die-zukunft.de.
Das Netzwerk ProBeweis Hilfe und Unterstützung für Menschen bei häuslicher oder sexueller Gewalt und dokumentieren die Beweise unabhängig von einer Anzeige bei der Polizei. Das sichert die Möglichkeit, auch später noch gegen Täter:innen vorzugehen.