Wenn das Einschlafen stresst

Guter Schlaf beginnt vor dem Zubettgehen. Der Schlafforscher Thomas Penzel kennt die entscheidenden Regeln für eine bessere Nachtruhe.
Von Lia Becker (Text) und Emil Eichinger (Foto & Video)

Das Gefühl kennt jeder: nicht einschlafen zu können oder morgens das Gefühl zu haben, dass der Schlaf nicht erholsam war. Doch was steckt tatsächlich hinter dieser Art von Schlafstörung?
Mehr über Ursachen, Folgen und mögliche Lösungen weiß Schlafforscher Prof. Dr. Thomas Penzel. Als Physiker, Humanbiologe, Physiologe und Somnologe ist er wissenschaftlicher Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Charité Berlin. Er forscht in den Themengebieten rund um Schlafen und unter anderem auch Schlafstörungen. Penzel und sein Team kennen 67 Schlafstörungen. Einige davon treten während des Schlafens auf. Dazu gehört beispielsweise auch Schlafwandeln. Schlaflosigkeit, auch Insomnie genannt, unterscheidet sich davon, denn Betroffene leiden, wenn sie nicht schlafen können. Schlafstörungen sind nicht selten. In Deutschland litten 2022 etwa 7% der Versicherten von BARMER an Schlafstörungen, das macht rund sechs Millionen Menschen aus.

Portrait von Prof. Dr. Thomas Penzel in seinem Büro des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Charité Mitte. Prof. Dr. Thomas Penzel in seinem Büro des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Charité Mitte.

Einen Menschen, der nicht schläft und keine Tiefschlafphase hat, haben wir noch nicht gefunden.

Prof. Dr. Thomas Penzel

Schlaf ist ein Lebensbedürfnis. Wer hungrig ist, isst was. Wer durstig ist, trinkt was. Der Körper holt sich den Schlaf im Zweifelsfall auch im Bus oder im Zug.

Dass man in schwierigen Lebensphasen auch mal schlecht einschläft oder Probleme hat durchzuschlafen, ist vermutlich etwas, das auch einfach zum Leben dazu gehört. Aber sind das auch schon Schlafstörungen Herr Penzel?

Dass man mal Ein- oder Durchschlafstörungen hat, wenn man besorgt ist oder sich auf eine Prüfung vorbereitet, ist normal. Diese Art von Störung fällt dann in den Bereich des zu wenigen Schlafens.


Und wann sollte man sich medizinische Hilfe suchen?

Bei der Störung, die wir als Schlaflosigkeit kennen, gibt es bestimmte Definitionskriterien, die erfüllt sein müssen. Normalerweise braucht man 5 bis 10 Minuten, um einzuschlafen. Braucht man länger als 30 Minuten, liegt eine Einschlafstörung vor. Wenn man mindestens 3 Tage in der Woche und das über mindestens 4 Wochen nicht durch- oder einschlafen kann, dann besteht der Verdacht darauf, dass man eine Insomnie hat.


Welche körperlichen Auswirkungen können die Schlafstörungen langfristig haben?

Die Folgen unterscheiden sich bei den Schlafstörungen. Folgen können bis hin zu Schlaganfällen oder Herzinfarkten sein. Bei der Insomnie aber gibt es sehr wenige körperlichen Folgen.


Aber braucht man nicht Tiefschlafphasen, damit der Körper sich erholen kann?

Dass man nicht in die Tiefschlafphase kommt, ist ja eine Annahme, die wir so nicht belegen können. Wir hatten schon Menschen, die davon ausgegangen sind, seit Monaten nicht geschlafen zu haben. Im Schlaflabor haben wir dann aber auch bei ihnen Leichtschlaf, Tiefschlaf und Traumschlaf erkennen können, nur unterbrochener als bei Menschen, die durchschlafen. Schlaf ist ein Lebensbedürfnis. Wer hungrig ist, isst was. Wer durstig ist, trinkt was. Der Körper holt sich den Schlaf im Zweifelsfall auch im Bus oder im Zug. Einen Menschen, der nicht schläft und keine Tiefschlafphase hat, haben wir noch nicht gefunden.

Das interdisziplinäre schlafmedizinische Zentrum der Charité

Das Interdisziplinäre Schlafmedizinische Zentrum der Charité ist eine spezialisierte Einrichtung zur Diagnose und Behandlung aller Arten von Schlafstörungen, von Kindern bis zu älteren Menschen. Es bietet Behandlungen in der Institutsambulanz an und umfasst ein stationäres Schlaflabor.

Das Team um Schlafforscher Penzel kennt 67 Arten von Schlafstörungen. Neben der Insomnie gibt es beispielsweise auch die Narkolepsie, Betroffene schlafen bei dieser Störung tagsüber plötzlich ein.  Auch die Schlafapnoe führt dazu, dass Betroffene am Tag müde sind. Sie schlafen zwar gut ein und durch, sind jedoch nicht erholt. Die Ursachen dafür werden dann im Schlaflabor erforscht. 
Außerdem gehört Schlafwandeln zu den Schlafstörungen. Zum einen gibt es das Schlafwandeln aus dem Tiefschlaf. Es betrifft in der Regel nur Jugendliche und endet meist mit dem Erwachsenwerden. Zum anderen gibt es Personen, die aus dem Traumschlaf heraus ihre Träume ausleben. Dabei kann es sogar so weit kommen, dass Betroffene Autofahren oder andere Straftaten begehen.

Schwarzer Modellkopf mit Elektroden und Kabeln für medizinische Messungen des EEG (Hirnstrombild), flankiert von Kartons mit „Löwenstein medical“-Aufschrift und diversen Reinigungs- und Desinfektionsmitteln im Hintergrund. Vorbereitung für Tests der Schlafdiagnostik. Mithilfe der Elektrodenpunkte kann ein Hirnstrombild (EEG) aufgezeichnet werden.
Dieses Bild zeigt einen Flur in einer medizinischen Einrichtung, der Charité Mitte. Links ist ein geöffneter Raum mit der Aufschrift „Schlafmedizin Ambulanz“, ausgestattet mit einem Waschbecken und medizinischen Vorrichtungen. An der Wand sind Informationsbretter mit ausgehängten Artikeln und ein orangefarbener Korb mit der Aufschrift „Geräterückgabe“ auf einem Stuhl platziert. Die schlafmedizinische Ambulanz ist Anlaufstelle für Patienten mit jeglichen Formen von Schlaf-Wach-Störungen und betreut pro Jahr ca. 6000 Patienten.
Schlicht eingerichtetes Einzelzimmer mit einem Holzbett, das mit weißer Bettwäsche bezogen ist, und einem gefalteten Handtuch auf der Bettdecke. Neben dem Bett steht ein Nachttisch mit einer Lampe, einem Telefon und einigen Geräten, während ein kleiner Schreibtisch mit einer Wasserflasche und Fernbedienungen im Hintergrund sichtbar ist. Das Zimmer befindet sich in der Advanced Sleep Research GmbH und wird für die Schlafüberwachung genutzt. Das stationäre Schlaflabor hat 10 Betten zur Verfügung. Hier werden die Patienten während der Nacht standardmäßig mittels einer kardiorespiratorischen Polysomnographie (PSG) untersucht.
Sammlung verschiedener Produkte zur Schlafunterstützung und Schnarchreduktion, darunter Mundsprays, Schlafkapseln, Nasenpflaster und ätherische Öle. Im Vordergrund steht ein Zahnschutzmodell, umgeben von Verpackungen wie „Silence Schnarchspray“, „Schlaf wohl“-Öl und „Breathe Right“-Pflastern. Die Produkte sind in einer Mischung aus medizinischen und wellnessorientierten Artikeln arrangiert. Herr Penzel sammelt in seinem Büro jegliche Arten von Produkten, die dem Käufer einen angeblich besseren Schlaf versprechen.
Historisches Gebäude der Charité Berlin mit Backsteinfassade und modernen Anbauten, umgeben von Fahrrädern und Herbstbäumen, aufgenommen an einem bewölkten Tag. Das interdisziplinäre Schlafmedizinische Zentrum befindet sich in den historischen Gebäuden der Charité Mitte

Man muss sich in den Schlaf hineinfinden. Dazu gibt es sogenannte Regeln der Schlafhygiene.

Welche Ursachen stecken meist hinter einer Insomnie?

Stress ist ein Faktor. Es gibt aber auch die Menschen, die aus innerer Unruhe einfach nicht mehr in den Schlaf finden. Dabei entwickelt sich häufig ein Teufelskreis. Das heißt, die Menschen haben Angst ins Bett zu gehen, weil sie sagen, wenn ich ins Bett gehe, dann schlaf‘ ich sowieso nicht. Es entsteht eine negative Einstellung zum Schlaf, weil das Insbettgehen schon als Stress empfunden wird. Da kann man dann auch gut mit Medikamenten helfen.


Was sind denn die Schritte, bevor man mit Medikamenten therapiert?

Es gibt eine Stufentherapie. Der erste Schritt ist erstmal beratend aufzuklären, dass jeder Mensch Schlaf findet und auch braucht. Der nächste Schritt sind dann beispielsweise Entspannungsübungen. Schlaf passiert nicht einfach, wenn man die Augen zu macht. Es gibt da keinen Schalter, der umgelegt wird. Man muss sich in den Schlaf hineinfinden. Dazu gibt es sogenannte Regeln der Schlafhygiene. Auch pflanzliche Stoffe wie Baldrian, die zwar keine nachgewiesene Wirkung haben, können mit einem Placeboeffekt positiven Effekt haben. Danach folgen dann entweder Tabletten oder eine kognitive Verhaltenstherapie.


Herr Penzel, haben Sie noch ein paar weitere Informationen zu der Schlafhygiene?

Ja. Ganz genau kann man das auch auf der Internetseite www.dgsm.de nachlesen. Zur Schlafhygiene gehört beispielsweise Bewegung und draußen sein am Tag und kurz vor dem Schlafen kein schweres Essen. Alkohol auch vermeiden. Außerdem kann ein Sorgenbuch helfen, seine Sorgen abzulegen. Wer gerne beim Fernsehen und Radio einschläft, kann das auch weiterhin tun. Grundsätzlich gilt, dass Betroffene selbst herausfinden müssen, was ihnen beim Entspannen hilft.


Nun leidet man vielleicht unter Schlafstörungen. Muss man Angst haben, dass man sein ganzes Leben damit zu kämpfen hat?

Nein. Besonders bei jungen Menschen sind Beschwerden durch Einhalten der Regeln der Schlafhygiene wieder weg. Durch Jogging oder ein Workout am Tag und richtiges Auspowern, so dass man abends richtig k.o. ist, sind die meisten Insomnien bei jungen Menschen wieder weg.


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