Auf den Spuren der Salzlacken

Österreichs größter See, der Neusiedler See, drohte 2022 erstmals seit 150 Jahren auszutrocknen. Der Fotograf Florian Sulzer ging den Ursachen nach.

Im östlichsten Teil Österreichs zeigen sich die Auswirkungen niederschlagsarmer und heißer Jahre immer deutlicher. Die Salzlacken im ohnehin trockenen Seewinkel leiden unter einem niedrigen Grundwasserspiegel, der durch klimabedingte Extreme und intensiv bewässerte Kulturen in der Landwirtschaft zusätzlich verschärft wird.

Der Neusiedler See, Österreichs größter See, verzeichnete im Jahr 2022 den niedrigsten Wasserstand seit Aufzeichnungsbeginn. Der Steppensee droht erstmals seit 150 Jahren wieder komplett auszutrocknen. Eine künstliche Zuleitung soll den Wasserstand des Sees stabilisieren. Doch mögliche Folgen für das sensible Ökosystem wären unabsehbar.

Durch die anhaltenden Regenfälle im Jahr 2024 haben sich sowohl die Salzlacken als auch der See leicht erholt. Der Wasserstand liegt jedoch immer noch unter dem Durchschnitt.

Die Arbeit «Hoda eh wieda Wossa» – hochdeutsch «(da) hat er eh wieder Wasser» – markiert für Florian Sulzer den Beginn einer Langzeitbetrachtung einer der trockensten Regionen Österreichs. Abseits von dystopischen Zukunftsszenarien und vereinfachten menschlichen Lösungsansätzen strebt er einen unaufgeregten Blick auf eine emotional geführte Debatte an.

Darscho, 9.10.2023

Salzlacken sind einzigartige Rast- und Brutplätze für verschiedene Vogelarten. Um zu überleben, benötigen die Lacken hohe Grundwasserstände, um Salze nach oben transportieren. In den vergangenen 150 Jahren ist etwa 80% der Lackenfläche im Seewinkel zurückgegangen. Im Rahmen des Salzlackenmonitorings des Nationalparks werden alle zwei Wochen etwa 50 Punkte untersucht und deren Zustand dokumentiert. Benjamin Knes und Bjarne Voss entnehmen eine Wasserprobe am Darscho.

St. Andrä am Zicksee, 8.11.2023

Der Zicksee im Seewinkel trocknete im Sommer 2022 vollständig aus. Dieser ehemalige Steppensee wurde jahrelang mit Grundwasser gespeist. Aufgrund des drastischen Rückgangs der Grundwasserpegel im Seewinkel musste die künstliche Zuleitung eingestellt werden. Nachdem die Seefläche 2023 völlig von Pflanzen überwachsen war (im Bild), ist 2024 wieder eine kleine Wasseransammlung zurückgekehrt.

Freistadt Rust, 12.11.2023

Der Neusiedler See ist mit 320 Quadratkilometer Österreichs größter See und wird von einem Schilfgürtel umgrenzt. In der am See gelegenen Ortschaft Rust findet man sogenannte Pfahlbauten. Einige dieser Hütten sind bei niedrigen Wasserständen jedoch nicht mehr zu erreichen.

Podersdorf am See, 8.10.2023

Podersdorf am See erfreut sich großer Beliebtheit bei Wassersportler*innen. Die Ortschaft ist schilffrei und verfügt über das längste Strandbad. Iris und Thomas kommen seit ihrer Kindheit nach Podersdorf. Sie haben einen Mobilheimplatz am See gepachtet, wo sie bei passenden Temperaturen und Wind surfen.

Freistadt Rust, 23.10.2023

Über 400 Badehütten, meist Pfahlbauten, gibt es in der Ruster Bucht. Die Bucht, die vor allem touristisch genutzt wird, beherbergt Hafenanlagen, das Seebad, das Storchencamp Rust und die Wochenendsiedlung Romantica.

Breitenbrunn am Neusiedler See, 30.10.2023

In Breitenbrunn am Neusiedler See werden Kleingeräte eingesetzt, um die Bootsstellplätze vom Schlamm zu befreien. Der jährliche Schlammzuwachs im Neusiedler See beträgt 30.000 Kubikmeter, wobei jährlich zwischen 60.000 und 100.000 Kubikmeter Ablagerungen aus dem See entfernt werden sollen. Hierbei handelt es sich zum Teil auch um Altlasten, die sich über die Jahre angesammelt haben. Der Schlamm wird mithilfe eines Schwimmbaggers abgesaugt und in ein Absatzbecken befördert. Dort setzen sich die Feststoffe ab, das meiste Wasser fließt über Rohre zurück in den See. Der abgesetzte Schlamm wird später auf landwirtschaftlichen Flächen verwendet.

Mörbisch am See, 8.11.2023

Maximilian Rott genießt seine Freizeit als Segler auf dem Neusiedler See. Im Sommer arbeitet er als Tontechniker bei den Seefestspielen in Mörbisch und verbringt die Aufführungswochen auf dem Boot seines Vaters. Aufgrund des niedrigen Wasserstands kommt es häufiger vor, dass sein Boot im See stecken bleibt. Falls sich die Situation nicht verbessert, hat er für alle Fälle bereits das Windsurfen erlernt, das bereits ab zehn Zentimeter Wassertiefe möglich ist.

Mörbisch am See, 8.11.2023

Seit 1957 finden im Ort Mörbisch im Sommer die Seefestspiele statt. Die 3,5 Tonnen schwere Freiheitsstatue aus Styropor am Seebad Mörbisch wurde speziell für das Musical „West Side Story“ errichtet.

Podersdorf am See, 24.10. 2023

Niederschlagsarme Jahre und zunehmende Hitzeperioden führten im Oktober 2022 mit 114,87 Meter über Adria zum niedrigsten Wasserstand des Neusiedler Sees seit Beginn der Aufzeichnungen. In Podersdorf am See ist der Rückgang des Wasserstandes deutlich zu sehen.

Podersdorf am See, 8.10.2023

Die Burgenländische Landesregierung plant, den fehlenden Niederschlag durch eine künstliche Wasserzufuhr aus der Donau auszugleichen, um das beliebte Reiseziel und damit einen wichtigen Wirtschaftsfaktor für die Region zu retten. Der See soll durch den Zufluss rund zehn Zentimeter mehr Wasser erhalten.

Sandeck, 11.11.2023

Im Zeitraum von November bis Februar werden einmal im Monat die Vogelarten im Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel gezählt. Die Anzahl der Individuen ermöglicht Rückschlüsse darauf, wie attraktiv das Gebiet für verschiedene Vogelarten ist. Vor Sonnenaufgang hat sich Benjamin Knes, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Nationalpark, am ehemaligen ungarischen Grenzwachturm im Sandeck eingefunden, um Kraniche zu zählen. Diese machen seit rund zwanzig Jahren im Burgenland Rast auf ihrer Reise in den Süden.

Landesmuseum Burgenland in Eisenstadt, 14.12.2023

Der Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel ist ein wichtiges Brutgebiet und Rastplatz für rund 350 Vogelarten. Durch die zunehmende Trockenheit im Seewinkel sind die Rastplätze für Zugvögel zunehmend in Gefahr.

Purbach am Neusiedler See, 10.11.2023

Paul Berger verbrachte sein gesamtes Leben in Purbach am Neusiedler See. Er arbeitete als Schichtarbeiter bei der Eisenbahn und betrieb nebenbei Weinbau. Sein Großvater erlebte die letzte Austrocknung des Neusiedler Sees (1865 bis 1871) mit, als man von Purbach aus bis zur anderen Seite spazieren konnte. Damals hatten sich in einigen verbliebenen Lacken die letzten Fische zusammengedrängt.

Purbach am Neusiedler See, 13.9.2023

Freunde und Verwandte helfen der Weinbaufamilie Brunäcker-Rosner bei der alljährlichen Weinlese. Die Reben am Spitz sind mit der Weinlesemaschine aufgrund der steilen Hänge nicht erreichbar. Die letzten Trauben der Weißweinsorte Müller Thurgau werden in den Anhänger geworfen. Danach geht es zur Mittagsjause.

Podersdorf am See, 24.10.2023

Martin Steiner aus Podersdorf am See führt bereits in vierter Generation ein Weingut. Der Neusiedler See fungiert im Winter als Wärmespeicher und im Sommer als Kühlelement für den Wein. Eine Austrocknung des Sees könnte vermehrte Unwetter in der Region zur Folge haben und den Anbau weniger hitzeresistenter Rebsorten, wie zum Beispiel Zweigelt, beeinträchtigen.

Mörbisch am See, 30.9.2023

Ende September 2023 fand das dreizehnte Weinlesefest in Mörbisch am See statt. Blasmusik und geschmückte Wägen zogen durch die kleine Ortschaft und luden die Besucher*innen dazu ein, frischen Sturm und Wein zu verkosten.

Illmitz, 7.11.2023

Mitarbeitende der Biologischen Station kontrollieren eine Lichtfalle, die mit Schwarzlicht Nachtfalter anlockt. Gewisse Stellen werden regelmäßig untersucht, um Rückschlüsse über die Veränderung der Artenkulisse der letzten Jahrzehnte zu ziehen. V.l.n.r.: Justin Catau; Johannes J. Reisinger und Jonas Baumgärtner.

Illmitz, 7.11.2023

Nach erfolgreicher Präparierung der Nachtfalter bestimmen Mitarbeitende der Biologischen Station in Illmitz die Arten. Das Vorkommen bestimmter Falter sagt viel über den Zustand eines Lebensraums aus. Intensive Landwirtschaft und Bodenversiegelung reduzieren die Bestände.

Illmitzer Zicksee, 18.9.2023

Am Illmitzer Zicksee führt Arno Cimadom die Praktikant*innen des Nationalparks in die Zählung der Abendsegler, eine Fledermausgattung, ein. In einem Intervall von fünf Minuten wird die maximale Anzahl an Individuen gezählt. Ausgestattet mit Ferngläsern und einem Fledermausdetektor auf einer Frequenz von 20 Hertz blicken und drehen sich die Teilnehmenden um ihre eigene Achse. Am Ende des Intervalls trägt Arno Cimadom die gezählten Abendsegler in seine Liste ein.

Nördlicher Silbersee, 9.10.2023

Durch zahlreiche Eingriffe in die Wasserführung des einstigen Silbersees fiel die Salzlacke größtenteils trocken. Die Reste bilden heute den nördlichen- und südlichen Silbersee. Der nördliche Silbersee steht aufgrund der zunehmenden Verschilfung vor dem völligen Zusammenbruch und bedarf einiger Renaturierungs-Maßnahmen.