Wasser zu Gold

Firmen lassen sich skurrile Marketingstrategien einfallen, um Wasser zu vermarkten. So rechtfertigen sie teilweise enorm hohe Preise und zeigen, dass man mit den richtigen Slogans aus einem Grundversorgungsmittel hohe Gewinne erzielen kann. Von Andreas Blauth (Text und Foto)

Eine Flasche Fiji-Wasser unter Wasser getaucht vor dunkelblauem Hintergrund

Irgendwie hat sie etwas, die romantisierte Vorstellung davon, wie das Mineralwasser in die Flasche kommt. Man möchte fest daran glauben, dass im Einklang mit der Natur das Ursprüngliche und Reine sorgfältig und mit Liebe und Leidenschaft Flasche für Flasche abgefüllt wird. Man möchte daran glauben, auch wenn man weiß, dass das natürlich völliger Blödsinn ist. In einer industrialisierten Gesellschaft, die sich zunehmend danach sehnt, das Gefühl von Ursprünglichkeit und Natureinklang wiederzuerlangen, haben es Hersteller und deren Marketingagenturen offenbar geschafft: Sie stilisieren die in unserer Kulturgeschichte verankerte Vorstellung des klaren, reinigenden, heiligen, heilenden und ursprünglichen Wassers zu skurrilen Verkaufsargumenten.

Mehr denn je ist die Wahl des richtigen Flaschenwassers heute auch eine Lifestyle-Entscheidung. Dabei ist wissenschaftlich längst bestätigt, dass Leitungswasser in Deutschland in der Regel für ein gesundes Leben ausreicht – und entgegen den Behauptungen grün gewaschener Werbekampagnen um ein Vielfaches umweltfreundlicher ist als Mineralwasser. Wasser, so sagen die Hersteller, sei nicht gleich Wasser.

Es gibt hartes Wasser, weiches Wasser, Leitungswasser, Quellwasser, Gebirgswasser. Und jede Marke scheint es für nötig zu halten, ganz individuelles Wasser anzubieten, das es so sonst nur an wenigen Orten auf der Welt gibt, einzigartig ist und auf eine ganz eigene Zielgruppe zugeschnitten ist: Es gibt Wasser für Sportler*innen, Wasser für Männer, «lebendiges Wasser» für Menschen, die daran glauben, Heilwasser, Wasser, mit dessen Konsum wir angeblich die Natur schützen, und selbstverständlich Sprudelwasser als Lieblingswasser der Deutschen. Und weil Konsument*innen durch das gute Marketing der Wasserfirmen schnell den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen, gibt es mittlerweile Wassersommeliers, die der Welt der Schönen und Reichen Orientierung im Dickicht der Auswahl verschiedener Luxus-Wasser-Marken geben. Ein Überblick über die skurrilsten Arten, Wasser zu vermarkten. 

1. Das reine Eiskristallwasser

Ein beliebtes Verkaufsargument: Geschmolzenes Eiskristallwasser. Die Marke «10.000 BC» vermarktet ihr Wasser als besonders rein, da es angeblich «nie den Boden gesehen» habe. 20 Euro kostet eine Flasche. Mit 65 Euro pro 0,75 l noch teurer ist «Svalbarði». Das Wasser wird aus einem norwegischen Eisberg im Kongsfjord in der Nähe des Nordpols gewonnen. Es wird geschmolzen und angeblich von Hand abgefüllt.

2. Je teurer die Flasche, desto wertvoller das Wasser

Dass Wasserqualität vor allem eine Frage der Verpackung ist, zeigt die Marke «Filico Roi»: Ein japanisches Wasser, das als besonders weich beworben wird und angeblich durch ein Granitgebirge fließt. Erst beim Anblick der Verpackung wird klar, dass Konsument*innen die rund 200 Euro pro Liter weniger für das Wasser selbst, sondern vielmehr für die mit sogenannten Swarovski-Kristallen und goldener Krone verzierte Flasche zahlen.

3. Wasser reinigen und beleben

Hersteller von Wasseraufbereitungsgeräten behaupten, dass zum Beispiel Leitungswasser angeblich nicht nur durch Schadstoffe, sondern auch durch «feinstoffliche» Einflüsse wie «elektromagnetische» Störungen seine «Vitalität» verliere. Produzenten sogenannter «Osmoseanlagen», die für bis zu 2000 Euro zu erwerben sind, versprechen mit selbst erfundenen Qualitätssiegeln, ein solches beschädigtes Wasser zunächst stofflich und dann feinstofflich reinigen zu können und anschließend unter anderem mittels bestimmter Wirbeltechniken wieder zu «beleben» und zu «energetisieren». Wissenschaftlich bewiesen ist die Wirkung solcher Geräte nicht. Nach der Idee des sogenannten «hexagonalen Wassers» kann Wasser Informationen sammeln, die herkömmliches Wasser aber verliere. Mit Hilfe eines Wirbelgerätes könne Abhilfe geschaffen werden.

4. Lichtdurchflutetes Wasser für spirituelle Freigeister

Die Marke «St. Leonhards» ist in vielen Bioläden erhältlich und damit nicht im extremen Luxussegment, aber mit rund 2 Euro als «belebtes» Wasser im Markt für tendenziell wohlhabende Freigeister mit Hang zur Esoterik. Der Hersteller aus Bayern zeigt, dass man als Alleinstellungsmerkmal eigentlich nur einfallsreiche Märchengeschichten und ein paar Mythen braucht: Das «Mondwasser» werde nur bei Vollmond abgefüllt – unter der Prämisse, dass es dann über besonders hohe «Energie» verfüge. Wie der Hersteller mitteilt, seien «bei den bioenergetischen Frequenzmessungen der Vollmondabfüllung 61 positive Frequenzen» gefunden worden, die «Körper, Seele und Geist unterstützen können». Mit solchen gerade noch legalen Heilsversprechen bewirbt St. Leonhards auch weitere Produktreihen: Die «Lichtquelle» verspricht, mit allen «7 Frequenzen des Lichts» auch in Stimmungstiefs das «innere Licht bewahren» zu können. Ein anderes Wasser mit der Etikettbeschriftung «Ich bin die Quelle» soll angeblich «feinspürige» Menschen dazu bringen, durch «89 positive Frequenzen» in «Resonanz» mit dem Wasser gehen zu können.

5. Volvics männliches Wasser

Eine besonders absurde Werbekampagne startete der französische Wasserhersteller Volvic: 2007 vermarktete das Unternehmen im Rahmen der Rugby-Weltmeisterschaft mit der Produktreihe «Quinze de Volvic» ein pures Wasser und eines mit Zitronengeschmack als Wasser nur für den Mann. Bis heute bleibt ein Rätsel, was an dem Wasser männlich ist. Testosteron wurde jedenfalls nicht in dem Wasser nachgewiesen.

6. Wasser vom anderen Ende der Welt

Während in Deutschland die meisten Menschen Wasser aus Quellen im eigenen Land trinken und Regionalität das Verkaufsargument ist, hat es das sogenannte Fiji-Wasser geschafft, die Geschichte zu verbreiten, dass es wert ist, Wasser von den Fiji-Inseln quer über den Globus nach Europa und in die USA zu transportieren. Damit hat der Hersteller das Wasser als Luxuswasser in den Mainstream gebracht. Zu sehen ist das durch die darin enthaltene Kieselsäure besonders weiche Wasser in US-amerikanischen Fernsehserien und Filmen. In sozialen Medien hat sich ein regelrechter Hype um das Wasser entwickelt. Das Wasser von den Fiji-Inseln hat sich damit als Lifestyle-Getränk etabliert, als wäre es eine Limonade oder ein Cocktail. Denn, womit die Reichen ihren Durst stillen, wollen schließlich alle anderen auch. Fans des Wassers – unter anderem viele Stars aus Hollywood – beschreiben es als weich, rein und ursprünglich. Es sei das Wasser, das wirklich noch aus der unberührten «Natur» der Fiji-Inseln komme, bevor es ebenso naturnah in kleinen Plastikflaschen abgefüllt wird und für knapp fünf Euro pro Liter verkauft wird.