Bombenentschärfung: Die riskante Arbeit mit explosiven Altlasten
Tausende Tonnen unentdeckter Munition schlummern unter deutschen Großstädten. Wie Expert*innen sie aufspüren und was dabei auf dem Spiel steht. Von Henryc Fels (Fotos), Sophie Boyer und Etienne Dötsch (Text)
Auf dem Hamburger Aschberg riecht es nach frisch aufgeworfener Erde, feuchtem Mörtel und Maschinenöl. Wo jahrzehntelang Familien im Sommer im Schwimmbecken badeten, versinken heute Gummistiefel knöcheltief im Matsch. Nur das Surren der Baggerhydraulik durchbricht die morgendliche Stille. Zwei Männer starren seit Stunden konzentriert auf das herabrieselnde Material aus der Baggerschaufel. Jeder Fund könnte eine gefährliche Entdeckung sein – und eine sofortige Bombenentschärfung notwendig machen. Versteckt zwischen Erde und Bauschutt könnte jeden Moment eine marode Stabbrandbombe auftauchen – eine britische Brandbombe, die bei Entzündung mit 2.400 Grad Celsius brennt und schwer von Metallschrott zu unterscheiden ist. Die Alliierten warfen sie zehntausendfach über Hamburg ab.
Die Gefahr dieser Kriegsüberreste ist auch heute noch allgegenwärtig. Achtzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs stellen Blindgänger weiterhin eine ernsthafte Bedrohung dar. Jedes Jahr kommt es in Deutschland zu ein bis zwei Selbstdetonationen von Kampfmitteln. Schätzungen zufolge liegen noch immer bis zu 100.000 Tonnen unentdeckter Bomben und Munition unter der Erde. Besonders in deutschen Großstädten ist die Gefahr groß, da die Böden stark mit Kampfmitteln belastet sind.
Grundstückseigentümer*innen müssen daher vor einem Um- oder Neubau bei den Behörden erfragen, ob sie eine Sondierung vornehmen müssen. Aber auch Flüsse und Strände sind häufig betroffen. Das Meer spült Kampfmittel an den Strand. Diese Granaten und Bomben sind oft so verrottet, dass sie in Einzelteilen angespült werden. Dabei wird häufig Phosphor freigesetzt, der leicht mit Bernstein verwechselt wird und schwere Hautverbrennungen verursacht.
Wie gefährlich sind Bombenentschärfungen wirklich?
Spezialisierte Sondierungsverfahren helfen, die Bombenreste zu finden und zu bergen. In Hamburg nutzt das Referat Gefahrenerkundung und Kampfmittelverdacht der Feuerwehr alte Karten und Luftbilder, um Bombenkrater zu finden und Gefahrenstellen zu lokalisieren. Bei oberflächlichen Verdachtsfällen trägt ein Bagger den Boden schichtweise ab; Expert*innen untersuchen den Schaufelinhalt sorgfältig, um eine sichere Bombenentschärfung zu gewährleisten.
Ein Maschinist erzählt von einem Vorfall, bei dem sich Munition in der Baggerschaufel entzündete und knapp am Führerhaus vorbeiflog. Solche Ereignisse zeigen, wie gefährlich die Arbeit bei der Bombenentschärfung sein kann. Deshalb haben die Bagger eine verstärkte Bodenplatte und eine kugelsichere Scheibe.
Manche Kampfmittel werden nicht entfernt, weil sie zu tief liegen. Bomben in mehr als zehn Metern Tiefe bleiben oft liegen, wenn darüber eine freie Fläche entsteht, etwa ein Sportplatz. Auch wenn ein bestehendes Haus abgerissen werden müsste, findet keine Kampfmittelräumung statt.
Alte Kampfmittel können lebensgefährlich sein. Besonders der Zustand des Zünders ist entscheidend, denn der Sprengstoff allein ist meist harmlos. Die Bombenentschärfung erfordert daher höchste Vorsicht und Fachwissen. Die Risiken der Kampfmittelräumung wurden 2010 in Göttingen auf tragische Weise deutlich: Drei Sprengmeister starben bei der Entschärfung einer Fliegerbombe mit Langzeitzünder. Munitionsreste werden normalerweise verbrannt oder kontrolliert gesprengt. Dafür ist der Kampfmittelräumdienst zuständig, nicht die Feuerwerker*innen.