Jugend im Lockdown. Der Student Valentin Goppel beschäftigt sich im Projekt «Zwischen den Jahren» mit den Auswirkungen der Pandemie auf seine Generation.
Als die Nachrichten zum ersten Mal vom Lockdown sprachen, war ich gerade zu Besuch bei meinen Eltern. Voller Aufregung über die verlängerten Ferien schrieb ich einen Zettel auf dem Küchentisch: «Unis sind zu, vielleicht bleibe ich noch ein paar Tage.» Voller Energie brachte ich den Satz nicht zu Ende, der Zettel endete mit den Worten „vielleicht ble-“. Die Freude hielt nicht lange an. Corona zog mir den Boden unter den Füßen weg. Es dauerte einige Zeit, bis ich merkte, dass ich nicht allein war.
In der Silvesternacht fotografierte ich die erste Szene meines Projekts über Jugendliche in Zeiten von Corona: Nach einem langen Gespräch mit seinen Eltern traf ein Freund zum Jahreswechsel zum ersten Mal seit vielen Monaten zwei Klassenkameraden. Sie zündeten gemeinsam die Silberwirbel und Böller vom letzten Jahr und gingen danach in Quarantäne. Das Essen ließ sich mein Freund vor die Tür stellen. Von da an fotografierte ich solche Szenen immer wieder. Ich machte Fotos von Bekannten und Bekannten von Bekannten. Meistens waren es die Menschen, die ich seit Monaten vermisst hatte. Gemeinsam fanden wir Wege, unseren Schwebezustand festzuhalten. Einige Szenen waren aus der Ferne beobachtet, andere entstanden aus einem plötzlichen Impuls oder einer geteilten Erinnerung.
Noch nicht zu wissen, wo man sich festhalten soll, wenn alles wackelt, ist vielleicht sowieso ein Teil des Zustands zwischen Kind- und Erwachsensein. Corona ist ein weiterer Katalysator der Orientierungslosigkeit. Plötzlich kämpften wir gegen die Dämonen, die wir durch tröstliche Ablenkung zurückgehalten hatten. Wie viele andere bin ich immer noch nicht wieder an der Universität angekommen. Mein Schwebezustand zieht sich hin.
Die eingangs erwähnte Nachricht an meine Eltern steckt nun als Zeitdokument in einem Bilderrahmen. Sie befindet sich in einem Umzugskarton in meinem neuen WG-Zimmer. Das Zimmer ist noch nicht wirklich eingerichtet. Manchmal fühlt es sich noch immer so an, als wäre ich hier nur zelten.
Für seine Fotostrecke «Zwischen den Jahren» wurde Valentin Goppel 2022 mit dem Leica Oskar Barnack Newcomer Award und dem VGH-Fotopreis ausgezeichnet.