Zwischen steinernen Fronten. Seit 2017 fotografiert Daniel Chatard in seiner Arbeit «Niemandsland» den Konflikt um den Kohleabbau in Nordrhein-Westfalen.


Daniel ist verblüfft, als sein Freund ihm die Geschichte von bedrohten Dörfern erzählt, die für den Braunkohleabbau in Deutschland zwangsumgesiedelt werden sollen. Aus Neugier beschließt er, ins Rheinland zu reisen und weitere Nachforschungen anzustellen. Dort trifft er auf Aktivistinnen und Aktivisten, die im Rahmen ihrer Kampagne gegen die Abholzung des Hambacher Forsts in Baumhäusern leben. 

Der Kontakt zu ihnen ist anfangs schwierig: Die Aktivist*innen sind misstrauisch gegenüber Medien. Sie wollen sich nur vermummt fotografieren lassen. Aber Daniel lässt nicht locker: Er fährt immer wieder ins Rheinland, übernachtet im Wald. Er hilft sogar mit, Baumhäuser zu bauen. Schon bald gelingt es ihm, das Vertrauen der Aktivist*innen zu gewinnen. Sie zeigen ihm auch, wie man in die Baumhäuser klettert: Man sichert sich dabei an zwei Schlaufen. Wie eine Raupe zieht man sich dann, Stück für Stück, nach oben. 

Inzwischen arbeitet Daniel auch an einem Buchdummy. Dafür ist er derzeit wieder im Rheinland unterwegs, um betroffene Menschen aus den Dörfern ihre Gedanken dazu aufschreiben zu lassen. Für ihn entsteht dadurch ein spannender Dialog: Die Bedeutung seiner Bilder wird neu verhandelt. Gemeinsam mit seinen Fotografien sollen diese Gedanken und Zitate am Ende veröffentlicht werden.

Daniel Chatard lebt mittlerweile in den Niederlanden. Seine Arbeiten wurden unter anderem in der ZEIT, National Geographic und der Washington Post veröffentlicht. Ihm hat der Austausch während des Studiums viel bedeutet, ebenso die Solidarität der Kommiliton*innen: «Auch wenn man mit einer Sache nicht weiterkam – irgendwer konnte es einem immer erklären», so der Fotograf. «Niemandsland» wurde 2018 für den Leica Oskar Barnack Award nominiert und im Folgejahr auf dem FOTODOKS-Festival in München ausgestellt.

Manheim-neu, Kerpen © Daniel Chatard

Im Februar 2020 warten Bewohner*innen des Umsiedlungsstandortes «Manheim-neu» auf den vorbeifahrenden Karnevalszug.

Bedburg, Nordrhein-Westfalen © Daniel Chatard

Demonstrant*innen des Aktionsbündnisses «Ende Gelände» weichen bei einer Aktion im August 2017 einer Polizeiblockade aus und erklimmen einen Hügel zurück auf die Straße.

Erkelenz, Nordrhein-Westfalen © Daniel Chatard

Im November 2021 kündigt die neue Bundesregierung an, den vom Braunkohletagebau Garzweiler II bedrohten Ort Keyenberg sowie vier weitere Dörfer retten zu wollen. Zu diesem Zeitpunkt sind bereits etwa 80 Prozent der Bewohner:innen umgesiedelt.

Hambacher Forst, Kerpen © Daniel Chatard

Aktivist*innen tragen einen Baumstamm durch den Wald, um mit ihm ein Baumhaus zu bauen.

Hambacher Forst, Kerpen © Daniel Chatard

«Robin» bewohnte den Hambacher Forst mehrere Monate lang. Fast niemand kennt hier den echten Namen der anderen. Aus Angst vor Repressionen durch die Polizei werden Decknamen benutzt.

Hambacher Forst, Kerpen © Daniel Chatard

Der Hambacher Forst war zwischenzeitlich mit dutzenden Baumhäusern besetzt, das Höchste in etwa 25 Metern Höhe. So gut wie alle Baumhäuser lassen sich ausschließlich gesichert kletternd erreichen. Dadurch sind sie nur schwer zu räumen.

Wer in die Baumhäuser möchte, muss klettern lernen. Man sichert sich dabei an zwei Schlaufen. Wie eine Raupe zieht man sich dann, Stück für Stück, nach oben.

Erkelenz, Nordrhein-Westfalen © Daniel Chatard

Am Dreikönigstag im Januar 2021 organisiert das Bündnis «Kirche(n) im Dorf lassen» eine Segnung der noch stehenden Häuser in Lützerath. Wenige Monate später werden einige von ihnen von RWE abgerissen.

Immerath, Nordrhein-Westfalen © Daniel Chatard

Für die Vergrößerung des Tagebaus Garzweiler wird im Januar 2018 die Pfarrkirche St. Lambertus, im Volksmund «Immerather Dom», abgerissen.

Erkelenz, Nordrhein-Westfalen © Daniel Chatard

Marita Dresen engagiert sich im Bündnis «Alle Dörfer bleiben» für den Erhalt der vom Tagebau Garzweiler II bedrohten Dörfer, deren Umsiedlung 2016 begann.

Tagebau Garzweiler, Kerpen © Daniel Chatard

Mehrere hundert Aktivist*innen gelangen bei einer Aktion des Aktionsbündnisses «Ende Gelände» im November 2017 in den Tagebau Hambach.

Bedburg, Nordrhein-Westfalen © Daniel Chatard

Polizisten tragen einen Demonstranten davon, nachdem sie ihn gemeinsam mit hunderten weiteren auf einem Feld vor den Schienen der Kohlebahn eingekesselt haben. Alle Demonstrant*innen werden in Bussen abtransportiert.

Lützerath, Erkelenz © Daniel Chatard

Fred setzt sich gemeinsam mit vielen anderen Aktivisten vor Ort für den Erhalt des Dorfes Lützerath ein.

Hochneukirch, Nordrhein-Westfalen © Daniel Chatard

Im Hausmuseum Otzenrath stellt Inge Broska, eine ehemalige Bewohnerin des Dorfes, Fundstücke aus. Sie wurden bei der Umsiedlung von Otzenrath zurückgelassen.

Manheim-neu, Kerpen © Daniel Chatard

Der Umsiedlungsstandort Manheim-neu liegt einige Kilometer entfernt von Mannheim. Der erste Spatenstich fand 2011 statt. Heute leben dort etwa 1000 Menschen.

Keyenberg, Erkelenz © Daniel Chatard

Die Aktivist*innen «Robin» und «Jillie» leben auch bei Minusgraden in den Baumhäusern.

Tagebau Hambach, Elsdorf © Daniel Chatard

Die Braunkohlegrube Hambach ist bis zu 400 Meter tief. Aus ihr soll einmal ein Restsee entstehen. Die Füllung des Sees durch Wasser aus dem Rhein soll mehrere Jahrzehnte dauern. Umweltverbände bezweifeln allerdings die Realisierbarkeit des Vorhabens.

Hambacher Forst, Kerpen © Daniel Chatard

«Clumsy» war bereits bei der ersten Waldbesetzung im Jahr 2012 dabei und wohnte seitdem über fünf Jahre lang fast durchgängig im Hambacher Forst.

Hambacher Forst, Merzenich © Daniel Chatard

Die letzte verbleibende Baumhaussiedlung «Lorien» im Hambacher Forst wird während der Räumungen im September 2018 von der Polizei und Beamten des SEK geräumt.


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