Homonationalismus und Pinkwashing: Solidarität oder Ablenkungsmanöver?

 

Wie queere Rechte im Israel-Palästina-Konflikt politisch von der Israelischen Armee instrumentalisiert werden.

Foto: @stateofisrael/instagram

Auf dem Foto zu sehen ist der israelische Soldat Yoav Atzmoni. Das Bild wurde im November 2023 von der israelischen Regierung auf Instagram veröffentlicht – mit der Bildunterschrift: ⁠«Die erste Pride-Flagge, die jemals in Gaza gehisst wurde.⁠»

In letzter Zeit hat ein Thema im Israel-Palästina-Konflikt immer mehr Aufmerksamkeit erregt: das sogenannte ⁠«Pinkwashing⁠». Dieser Begriff bezeichnet eine Marketingtaktik, bei der Unternehmen oder Regierungen LGBTQ-Themen nutzen, um sich als unterstützend darzustellen, während sie tatsächlich nicht konsequent für die Rechte dieser Gemeinschaft eintreten. Durch den Einsatz von Regenbogenfarben und Symbolen vermitteln sie zwar Solidarität, doch oft fehlt es an echten Maßnahmen. Auf staatlicher Ebene kann Pinkwashing auch auftreten, wenn Regierungen homonationalistische Ideen durch politische Gesetzgebung und Öffentlichkeitsarbeit ausnutzen.

Was bedeutet Homonationalismus?

Homonationalismus ist ein Begriff, den Jasbir Puar erstmals in ihrer Veröffentlichung Terrorist Assemblages: Homonationalism in Queer Times aus dem Jahr 2007 geprägt hat. Später griff Sarah Schulman den Begriff in ihrem Buch Israel/Palestine and the Queer International auf.

Sarah Schulman definiert Homonationalismus folgendermaßen:
⁠«…where white gays, lesbians, and bisexuals (and in some cases transsexuals) have won a full range of legal rights. Through marriage, parenthood, and family, they become accepted and realigned with patriotic or nationalist ideologies of their countries. Instead of being feared as the threat to family and nation that they were once seen to be, this new integration under the most normative of terms is held up as a symbol of that country’s commitment to progress and modernity. Some then identify with the racial and religious hegemony of their countries and join movements opposing immigration or racial and cultural difference. They construct the ‹other›, often Muslims of Arab, South Asian, Turkish, or African origin, as ‹homophobic› and fanatically heterosexual.»

Foto: Jack Guez/AFP/Getty Images

Hier hält ein Teilnehmer während der jährlichen Pride-Parade in Tel Aviv am 28. Juni 2020 ein Schild mit der Aufschrift ⁠«You can’t pinkwash apartheid.»

Welche Rolle spielt Homonationalismus im Israel-Palästina-Konflikt?

Im Kontext dieses Konflikts ist Pinkwashing beziehungsweise Homonationalismus besonders relevant und aktuell. Der Begriff tauchte erneut auf, nachdem ein IDF-Soldat ein Foto veröffentlicht hatte: Auf eine Flagge schrieb er ⁠«im Namen der Liebe⁠», während im Hintergrund das bombardierte Gaza zu sehen war.
In den sozialen Medien erklärte er: «Despite the pain of war – the IDF is the only army in the Middle East that defends democratic values. It is the only army that allows gay people the freedom to be who we are. And so I fully believe in the righteousness of our cause.⁠» Auf der anderen Seite stellte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Gewalt in Gaza als notwendig ⁠«im Namen der Zivilisation⁠» dar. Nach seiner Logik wäre die ⁠«Befreiung⁠⁠» queerer Palästinenser*innen ein Gefallen für diese Zivilisation. Diese Argumentation ließe sich vermutlich auch auf andere arabische Länder übertragen, in denen Homosexualität gesetzlich unter Strafe steht.

Doch diese Darstellung blendet zentrale Punkte aus. Kritiker*innen weisen darauf hin, dass auch in Israel selbst die LGBTQ+-Community weiterhin Diskriminierung und Vorurteilen ausgesetzt ist – besonders queere Palästinenserinnen innerhalb Israels oder in den besetzten Gebieten. Zudem wird bemängelt, dass die Betonung von LGBTQ+-Rechten den Blick von den Gräueltaten und der Besatzungspolitik gegenüber Palästinenser*innen ablenke.
Zusammenfassend wird im Israel-Palästina-Konflikt Pinkwashing und Homonationalismus genutzt, um LGBTQ+-Rechte als politisches Werkzeug zu missbrauchen. Diese Strategien dienen dazu, Israels Image zu verbessern und von den eigentlichen Problemen, wie Menschenrechtsverletzungen gegenüber Palästinensern, abzulenken. Es ist wichtig, diese Manipulation zu erkennen und sich für echte Gleichberechtigung und Gerechtigkeit einzusetzen, die allen zugutekommt.