Pause machen – abseits aller Blicke

Im Hinterzimmer, in der Lagerhalle oder auf Kisten im Hinterhof: Pausen gehören zum Arbeitsalltag, finden aber oft abseits der Öffentlichkeit statt – leise, unscheinbar und doch unverzichtbar. Von Lucas Tuan-Anh Nguyen (Text) und Laura Rößiger (Fotos)

Pausen sind ein zentraler Bestandteil eines gesunden Arbeitstages. Trotzdem werden sie oft verdrängt oder kleingeredet. Besonders in Branchen wie Gastronomie, Bau und Unterhaltung bleibt für Pausen oft kaum Zeit: eine Zigarette am Hintereingang, ein kurzer Moment im Backstage-Bereich oder einfach nur ein stilles Durchatmen vor der Tür.

In ihrem Fotoprojekt hat Laura Rößiger dokumentiert, wo und wie Menschen ihre Pausen verbringen. Sie richtet den Blick auf scheinbar unsichtbare Momente der Erholung – und auf die stille Bedeutung, die sie für viele haben.

Pause machen: Hotel- und Küchenchef, Harald Leissner, liegt in der Mittagspause auf einem Sofa im Hinterhaus seines Hotels. Böningen-Wangen am Bodensee, März 2024

Harald Leissner, Hotelbesitzer und Chefkoch eines Viersterne-Hotels, in der Mittagspause zwischen Früh und Spätschicht.

Harald Leissner, Hotelbesitzer und Küchenchef eines Vier-Sterne-Hotels in Böningen-Wangen am Bodensee, kennt den stressigen Alltag in der Hotellerie: Kund*innen betreuen, kochen, organisieren. Pausen betrachtet der 64-Jährige als unverzichtbar. Stolz berichtet er, dass ein Schild am Hoteleingang seine Haltung klar macht: «Bitte seien Sie nett zu unserer Bedienung. Noch immer sind Servicekräfte schwerer zu bekommen als Gäste.»

Der Alltag in der Hotellerie ist anstrengend und kräftezehrend. Mal ist er den ganzen Tag in Bewegung, mal handwerklich tätig oder mit Reparaturen beschäftigt – Jahr um Jahr, im Sommer oft noch stressiger als im Winter. Wenn Herr Leissner keine Zeit findet, seine Pausen mit seinem Hund im Wald oder auf dem Wasser mit seinem Stand-Up-Paddle-Board zu verbringen, entspannt er sich manchmal auf einer Couch im Hinterhaus des Hotels – stets mit Blick auf den See. Trotz des Stresses hält er an seiner Disziplin fest. Er schildert, dass er bereits während seiner Ausbildung gelernt habe, auf Zigarette, Alkohol und Handy in den Pausen zu verzichten. Wirklich abschalten und nichts tun – das ist ihm wichtig. Mit jedem weiteren Jahr gewinne die Pause für ihn an Bedeutung: Im Alter, so sagt er, könne man nicht nur arbeiten – man müsse auch bewusst Pausen machen.


Ich brauche keine Zigarette, keinen Alkohol und kein Handy. Das ‹wirkliche Abschalten› und ‹Nichtstun› sind für mich sehr wichtig.

Harald Leissner
Pause machen: Musicaldarstellerin Susann Ketley sitzt während ihrer Pause, des Musicals «Cinderella» Backstage in ihrem Maskenzimmer und nutzt ihre Pause zum Energie tanken. Wuppertal, Januar 2024

Susann Ketley in der Pause des Musicals «Cinderella» im Wuppertal Staatstheater, in dem sie die Hauptrolle spielt.

Für Susann Ketley sieht es als Musicaldarstellerin etwas anders aus. Es gibt klare Unterschiede zwischen Pausen im Probenalltag und an Auftrittsabenden. Je nach Produktion kann sie von 10 bis 19 Uhr fast durchgängig arbeiten. In anderen Produktionen teilt sich der Tag auf: von 10 bis 14 Uhr und, nach einer Pause, von 18 bis 22 Uhr.

Auftrittsabende seien oft so anstrengend, dass sie die meiste freie Zeit zum Erholen nutzt. Nach der Performance schläft sie meist aus und verbringt den Tag zu Hause, bevor es zum nächsten Auftritt geht. In den Pausen während einer Aufführung muss sie häufig noch einmal durch die Maske, trinkt Wasser, spricht mit Kolleg*innen oder schreibt ihrem Freund. Ihre Pausen gestaltet sie je nach Situation unterschiedlich.

Einen besonderen Luxus sieht sie in Bademänteln. Der Moment, in dem sie Backstage in einen Bademantel schlüpft, gehört für sie zu den schönsten des Abends – dann fühlt es sich wirklich wie Pause an.

Doch zwischen Glitzer und Theaterzauber wünscht sich Ketley mehr Struktur und Bewusstsein für Pausen. Vor allem während der Proben werde oft wenig Wert darauf gelegt. Wegen Zeitdrucks würden Pausen manchmal vergessen oder gestrichen. Besonders ironisch findet sie, dass Pausen zwar offiziell wichtig seien, in der Realität aber oft als entbehrlich gelten.


Alle sagen, dass Pausen wichtig sind, und trotzdem sind sie das Erste, was vergessen oder gestrichen wird.

Susann Ketley
Pause machen: Zwei Köche sitzen hinter dem Hotel und machen Pause. Oft beläuft sich diese jedoch nur auf eine Raucherpause. Radolfzell am Bodensee, März 2024

Zwei Köche eines Viersterne Superior-Design-Wellnesshotels in Radolfzell am Bodensee.

Für Laura Rößiger selbst ist das Thema persönlich: Als frühere Supermarktangestellte kennt sie die Pausen neben Paletten oder auf dem Lieferdock aus eigener Erfahrung. Diese Perspektive prägt ihre Arbeit: Mit Respekt und Feingefühl porträtiert sie die Pausen anderer – stille Momente der Erholung mitten im Arbeitstrubel. Eine Fortsetzung ihres Projekts kann sie sich gut vorstellen. «Pausen», sagt sie, «werden mich immer begleiten.»

Laura Rößigers Projekt gibt diesen stillen Momenten Sichtbarkeit – und erinnert daran, wie essenziell sie für uns alle sind. Denn eines ist klar: Unabhängig davon, wo oder was wir arbeiten – Pausen brauchen wir alle.


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