Vom Gesetzlosen zum Geistheiler

Alexander Golansky war krimineller Rocker und Kokain-Dealer. Dann trat er in die Fußstapfen eines berühmten Wahrsagers. Die Geschichte eines radikalen Wandels. Von Finn Winkler , Kim Zeidler und Utkarsh Singh 

In seinem früheren Leben wollte Alexander einmal einen Menschen ins Feuer werfen. Er war noch ein krimineller Biker und Mitglied in einem der berüchtigten One-Percenter-Clubs. Er erinnert sich an den Abend, als er, unter dem Einfluss von LSD, dachte, seine Gesprächspartnerin gegenüber sei eine Hexe und würde ihn verfluchen. In Panik stieß er sie ins Feuer – ihre Hosen begannen zu brennen, sie schrie. Zum Glück blieb sie weitgehend unverletzt. Heute weiß Alexander, wie gefährlich und verantwortungslos diese Tat war. Sein Drogenrausch hätte schlimme Folgen haben können, und nur mit viel Glück verlief die Situation glimpflich.

Ein Wahrsager in Deutschland liegt auf einem Sofa in einem schwach beleuchteten Raum, umgeben von Gemälden und traditionellen Möbeln, während Licht durch das Fenster fällt.

Alexander Golansky auf dem Sofa in seinem Wohnzimmer in Neustadt bei Coburg.

Alexander verbrachte sein ganzes Leben in seinem Elternhaus. Obwohl sein Vater ihn enterbt hatte, bekam er durch den Pflichtanteil doch das Haus. Viele Fenster sind heute kaputt, die Rollläden bleiben oft unten. Wenig Licht fällt in die Räume, und die Spuren eines bewegten Lebens sind Alexander anzusehen. Dennoch nimmt er Interessierte gerne mit auf eine Reise durch seine Vergangenheit. Er erzählt freimütig von seinem Biker-Leben, das er mit 15 Jahren begann.

Ende der 1970er-Jahre traf Alexander auf dem Schulhof ein Mitglied eines Biker-Clubs. «Und dann war es vorbei mit der Schule», erinnert er sich. Bald begann er, mit Kokain zu handeln und verdiente damit ein kleines Vermögen. «Und wenn man dann 3.000 oder 4.000 Mark in der Tasche hat, dann geht man nimmer in die Schule», sagt er heute. Sein Leben drehte sich von da an um schnelle Geschäfte, Drogen und Gewalt. Es gab die Motorrad-Rally in Frankfurt, bei der er sich drei Tage lang betrank, bis er nicht mehr wusste, wie er nach Hause kommen sollte. «Zieh mal daran, dann bist du wieder fit», riet ihm ein Freund – Speed. Betrunken und auf Speed trat er den Heimweg an.


Wenn man dann 3.000 oder 4.000 Mark in der Tasche hat, dann geht man nimmer in die Schule.

Auch Schlägereien gehörten zum Alltag, vor allem, wenn mehrere Biker-Clubs aufeinandertrafen. Es ging um Frauen oder einfach um Feindschaften. Bierbänke und Feuerlöscher flogen. Einmal entging Alexander einer Schlägerei nur, weil er zufällig kurz vorher dreißig Gläser Schnaps getrunken hatte – seine Club-Brüder hatten ihn bereits aus der Gefahrenzone gebracht.

Alexander ist erstaunt, dass er überhaupt noch lebt. Viele seiner damaligen Freunde sind tot. «Ein Alter von 55 oder 60 ist da das höchste der Gefühle», sagt er. Alexander selbst leidet heute an Diabetes, vor ein paar Jahren hätte er beinahe seinen Fuß durch eine Sepsis verloren. «Hätte ich mit Mitte 30 mein Leben nicht geändert, wäre ich heute auch tot», sagt er nachdenklich, wenn er auf seine alten Weggefährten und seinen früheren Lebenswandel zurückblickt.

Eine Sammlung religiöser Statuen und Ikonen, darunter Jesus-Statuen und Kreuze, die in rotes Licht getaucht sind, in einem Raum eines Wahrsagers in Deutschland.
Ein Wahrsager in Deutschland sitzt in einem dunklen Raum, umgeben von Kerzen und okkulten Objekten, während er einen Gegenstand in seinen Händen hält.
Ein Wahrsager in Deutschland führt in seinem Exorzismus Zimmer eine Hypnose durch

Wenn ich mit Mitte 30 mein Leben nicht geändert hätte, wäre ich heute auch tot.

Irgendwann, in den 1980er Jahren, beschloss Alexander, sein Leben zu ändern. «Ich wollte nicht mehr, dass die Drogen mich steuern», sagt er. «Und wenn ich sage, ich nehme keine Drogen mehr, dann nehme ich auch keine mehr. Meine Marke ist 100 Prozent.» Seit über 30 Jahren ist er clean, auch wenn er kurzzeitig wieder Rückfälle hatte.

Seine spirituelle Reise begann, als er zufällig in einer Frauenzeitschrift einen Artikel über Handlesen las. Was zunächst als Experiment begann, führte schnell zu einer intensiven Beschäftigung mit Spiritualität. Alexander las die Hände von Obdachlosen und Drogenabhängigen. Auch seine Biker-Freunde wollten heimlich, dass er ihnen die Zukunft voraussagte, obwohl sie sich anfangs über ihn lustig machten. Bald beschäftigte er sich immer intensiver mit spirituellen Praktiken.

Der Höhepunkt seiner spirituellen Entwicklung war die Weihe zum Voodoo-Priester in Berlin. Für 2.000 Mark ließ er sich in der Küche einer Frau einweihen, die Hühnern den Kopf abschlug und ihm das Blut ins Gesicht schmierte. «Der Geist des Voodoo muss in deinen Körper einfahren», sagte sie. Seitdem nennt sich Alexander «The Man Who Knows» und bietet in seinem Elternhaus spirituelle Beratungen an.

Auf seiner Website beschreibt sich Alexander als den berühmtesten Wahrsager im deutschsprachigen Raum. Er bietet Handlesen, Wahrsagen und Geisterjagd an, tritt als Schamane und Medium auf und wirbt sogar mit Brustvergrößerungen durch Hypnose. Sein Haus ist voll mit spirituellen Symbolen, Kreuzen und Jesus-Statuen. In einem eigens eingerichteten Exorzismus-Zimmer hilft er seinen Kunden, Dämonen zu vertreiben.

Über die Jahre erreichte Alexander eine gewisse Bekanntheit. Er trat bei RTL, MDR und TV Oberfranken auf, schreibt an seinen Memoiren und postet effektvolle Videos für seine Instagram-Follower*innen. «Ich bin den ganzen Tag beschäftigt», sagt er. Doch ein Highlight fehlt ihm: Ein Fernsehauftritt bei Big Brother wäre genau das Richtige. «Damit ich mal wieder einen kurzen Kick im Leben habe. Wie so eine Spur Koks, nur ohne Drogen.»