Kunstlicht to-go: wie du unterwegs blitzt.

Künstliches Licht eröffnet viele neue Gestaltungsmöglichkeiten, stellt Anfänger aber auch vor technische und gestalterische Herausforderungen. Hier erfährst du wie es geht!

Foto: Simon Deppe, Carentan les Marais, Frankreich, 2024

Das Blitzen in der Reportagefotografie ist sowohl eine technische als auch eine kreative Herausforderung, die Übung, Geduld und ein gutes Gespür für den richtigen Einsatz von Licht erfordert. Ob direkt, indirekt oder entfesselt – jede Methode hat ihre spezifischen Vorzüge und Einsatzbereiche. Wichtig ist dabei immer, den Blitz als Mittel zur Unterstützung der Bildbotschaft einzusetzen, nicht als dominierenden Effekt, der vom Inhalt ablenkt.

Gerade für Einsteiger*innen ist es essenziell, sich Schritt für Schritt mit den verschiedenen Techniken vertraut zu machen und die Wirkung von Licht aktiv zu erkunden. Denn nur wer die Kontrolle über das Kunstlicht beherrscht, kann es flexibel und gezielt einsetzen, um Geschichten zu erzählen und Emotionen zu transportieren.

Mit den Grundlagen, die dieser Beitrag vermittelt, hast du die Werkzeuge in der Hand, das Blitzen kreativ und wirkungsvoll in deine Arbeit zu integrieren. Nun heißt es: ausprobieren, experimentieren und den Mut haben, mit Licht zu gestalten, denn so kannst du deine Bildsprache um eine faszinierende Dimension erweitern.

Fotos: Simon Deppe, Auszug aus der Arbeit «Carrier Bag»

Effekt oder Botschaft? Die Kunst ist es, so zu blitzen, dass die Betrachter*innen dieses technische Detail nicht bemerken.

Achtung, Zurückhaltung geboten!

Beim Einsatz von Kunstlicht ist Mäßigung gefragt, denn der Blitz ist ein Effekt – und wie jeder Effekt kann auch dieser an Wirkung verlieren, wenn er überstrapaziert wird. Es besteht die Gefahr, dass das Blitzlicht den Inhalt des Bildes überlagert. Wenn das Licht so dominant ist, dass es von der Botschaft ablenkt, konzentrieren sich Betrachter*innen eher auf die technische Entstehung oder den «Glanz» des Fotos, statt sich mit dessen Aussage auseinanderzusetzen.

Das Blitzlicht soll die Bildbotschaft unterstützen und nicht mit ihr konkurrieren oder zum Selbstzweck werden. Gerade am Anfang passiert es leicht, den Reiz des neuen Looks zu übertreiben. Die Herausforderung besteht also darin, das richtige Maß für die jeweilige Situation zu finden.

Inhalt

1. Was brauche ich zum Blitzen? Ein kleiner Überblick über die wichtigsten Ausrüstungsgegenstände zum mobilen Blitzen

2. Die Bedienung von Aufsteckblitzen: Einführung in die technischen Details des Blitzens

3. Zusammenspiel von Blitz und Kamera: Welche Einstellung muss ich wo machen? Ein paar Tricks gegen die Verwirrung

4. Lichtcharakteristika von Aufsteckblitzen: Die Eigenschaften von kleinen Lichtquellen und wie man ihn in den Griff bekommt

5. Direktes Blitzen: Schnell und wirkungsvoll. Knalliger Look für dynamische Situationen

6. Indirektes Blitzen: Der Trick für weiches Licht mit minimalen Setup

7. Entfesseltes Blitzen: Die Königsdisziplin für Unterwegs mit maximalem Gestaltungsfreiraum

8. Lichttemperatur & Blitzabstand

9. Fazit

1. Was brauche ich, um unterwegs zu blitzen?

Um mobil zu blitzen, bieten sich sogenannte Aufsteckblitze an. Diese sind klein und kompakt, bieten aber trotzdem eine erstaunliche Bandbreite an Möglichkeiten. Sie werden mit Akkus betrieben und machen dich somit unabhängig von Steckdosen. Je nachdem, wie du später blitzen möchtest, brauchst du einen oder zwei Blitze. Das hängt von deiner Gestaltung, dem Umgebungslicht und deinem Wissens- und Übungsstand ab.

Außerdem ist ein Transmitter wichtig. Er ist eine Fernsteuerung für deinen Blitz. Du steckst ihn auf den Blitzschuh deiner Kamera und kannst dann von überall aus die Blitzleistung steuern. Das ermöglicht dir das «entfesselte Blitzen». Dabei wird der Blitz nicht auf die Kamera gesteckt, sondern kann frei im Raum positioniert werden. Mehr dazu findest du im Kapitel 6: Entfesseltes Blitzen.

Um deinen Blitz im Raum aufstellen zu können brauchst du ein Stativ. Dafür gibt es extra Lichtstative. Diese können schwer und unhandlich sein. Ich verwende ein leichtes (Kamera-)Stativ mit Kugelkopf, so dass sich der Blitz sehr flexibel ausrichten lässt.

Foto: Simon Deppe

Links: Aufsteckblitz auf Fotostativ mit Kugelkopf

Rechts: Cold-Shoe-Adapter auf Stativplatte mit 1/4-Zoll-Gewinde

Außerdem solltest du vor einem Fototermin, erst einmal zuhause ausprobieren, ob alles funktioniert. In der Regel musst du noch einen Adapter für die Montage auf dem Stativ besorgen. Stative haben in der Regel ein 1/4-Zoll-Gewinde, während Blitze einen Blitzschuh haben. Eine Möglichkeit, den Blitz zu montieren, ist ein Cold-Shoe-Mount. Dieser hat einen Aufsatz für den Blitz und ein Gewinde für das Stativ. Es gibt aber auch Halterungen, bei denen der gesamte Blitz eingeklemmt und auf das Stativ montiert wird (z. B. die Godox S-Typ-Halterung).

Zu guter Letzt dürfen die geladenen Akkus nicht fehlen! In der Regel sind Akkus eines deutlich schneller leer als der deiner Kamera.

2. Wie bediene ich einen Aufsteckblitz?

Die meisten Blitze haben, ähnlich wie bei einer Kamera zwei Modi. Einen manuellen und einen automatischen Modus:

TTL (through the lens)
Beim Automatik-Modus eines Blitzes kommunizieren Kamera und Blitz miteinander, um zu berechnen, wie groß die Blitzleistung sein muss. Die Automatik versucht, ein optimal belichtetes Bild herzustellen. Das macht den Modus zum anfängertauglichsten, denn der Blitz muss nur eingeschaltet werden. Den Rest übernimmt die Technik. Dadurch überlässt du deiner Kamera aber auch einen Teil deiner gestalterischen Entschuldigungen.

M (manuell)
Im manuellen Modus hingegen, sind alle Einstellungen offen. Das macht den Modus so anspruchsvoll, da du jederzeit alle Einstellungen im Blick haben und anpassen musst. So hast du aber die volle Kontrolle über dein Bild und kannst es genau so umsetzen, wie du es konzipiert hast.

Wie viel Power braucht mein Blitz?

Wenn du dich für den manuellen Modus entscheidest, ist die wichtigste Einstellung an einem Blitz ist die Blitzleistung. Sie bestimmt, wie hell das Licht des Blitzes leuchtet und wird in Brüchen angegeben. So entspricht 1/1 der vollen Leistung des Blitzes, während bei einer Einstellung von 1/2 nur fünfzig Prozent der Leistung abrufen. So einfach, so gut. Die meisten Blitze lassen sich sogar auf 1/128 oder 1/256 an den herunterregeln.

Tipp & Vertiefung

Beim Arbeiten mit Kunstlicht kann es immer wieder passieren, dass der Blitz für ein paar Sekunden nicht mehr reagiert. Um zu verstehen, warum das passiert und wie sich das vermeiden lässt, ist es wichtig, zu wissen, wie ein Blitz funktioniert:

Um einen Lichtstoß abzufeuern, ist in sehr kurzer Zeit sehr viel Energie notwendig. Ein normaler Akku ist nicht in der Lage, so schnell so viel Energie bereitzustellen. Deshalb sind in Blitzen sogenannte Kondensatoren verbaut. Auf ihnen lässt sich kurzfristig Energie speichern und sehr schnell abrufen. Feuerst du nun einen Blitz mit der Leistung 1/1 ab, wird der Transistor einmal komplett entladen. Nun muss er wieder mit der Energie des Akkus aufgeladen werden. Das dauert in der Regel ein paar Sekunden (3–8 Sekunden) und führt zu Wartezeiten. Blitzt du hingegen mit 1/2 Leistung, kannst du zwei Mal sehr schnell hintereinander blitzen, bevor wieder gewartet werden muss. Es lohnt sich also, beim Arbeiten darauf zu achten, wie oft geblitzt werden muss und ob eine schnelle Reaktionszeiten notwendig sind.

Grafik: Simon Deppe

Die Blitzsynchronzeit ist eine wichtige Einstellung, die an der Kamera vorgenommen werden muss. Denn der Kameraverschluss und die Dauer des Blitzstoßes müssen miteinander synchronisiert werden, damit sie exakt zeitgleich arbeiten. Das ist nur bis zu einer gewissen Zeitspanne möglich. Taucht an einem Bildrand ein dunkler oder schwarzer Streifen auf, weißt du, dass die Blitzsynchronzeit unterschritten wurde. Sie ist von Kamera- und Blitzmodell abhängig und liegt in der Regel zwischen 1/80 s und 1/250 s.

Bei modernen Blitzen gibt es die Funktion HSS (High-Speed-Synchronisation). Diese ermöglicht es, mit Verschlusszeiten bis zu 1/8000 s zu fotografieren.

Grafik: Simon Deppe

Die meisten Blitzgeräte haben einen Zoomkopf. Damit lässt sich der Lichtkegel des Blitzes variieren. Das Zoomlevel ist in Millimeter angegeben und entspricht der Brennweite von Kameraobjektiven. Das heißt, wenn der Blitz auf 50 mm eingestellt ist, lässt sich damit ein Foto mit einem 50-mm-Objektiv vollständig ausleuchten. Ist der Blitz hingegen auf 120 mm eingestellt, wird der Lichtkegel enger, und das Licht erreicht die Bildränder nicht mehr.

3. Wie funktionieren Blitz und Kamera zusammen?

Um gute Einstellungskombinationen von Blitz und Kamera zu finden, sind Übung und Erfahrung notwendig. Also heißt es viel auszuprobieren, um ein Gefühl für unterschiedliche Situationen zu bekommen. Für den Anfang gibt es aber eine einfache Richtlinie, die in der Regel funktioniert: Triff zunächst alle Kameraeinstellungen und lasse diese unverändert. Danach stellst du den Blitz ein. Wichtig ist, zu Beginn beide Einstellungen voneinander zu trennen um ein Gespür dafür zu bekommen, welche Einstellung welchen Einfluss hat. Im Praxisbeispiel erfährst du, wie du diese Technik anwendest.

Praxisbeispiel & Übung

Stelle die Kamera so ein, dass der Raum und die Person leicht unterbelichtet sind (z. B. ISO 400, 1/100 s, f/8). Nun sind alle Kameraeinstellungen getroffen, und du kannst dich dem Blitz widmen. Stelle die Blitzleistung so ein, dass die Person richtig belichtet ist (z. B. Blitzleistung 1/128). So erhältst du ein Bild, in dem die Umgebung abgedunkelt und die porträtierte Person optimal belichtet ist.

Mit dieser Methode lernst du, wie du das Verhältnis zwischen vorhandenem Licht und Kunstlicht ausbalancierst. Im nächsten Schritt lässt sich diese Balance verändern. Nun kannst du z. B. die Umgebung stark unterbelichten (Kameraeinstellungen: z. B. ISO 100, 1/250 s, f/11) und mit dem Blitz die Person wieder aufhellen (Blitzleistung: z. B. 1/4). So verstärkt sich der visuelle Fokus auf das Gesicht, und der Hintergrund verschwindet immer weiter.

Je stärker das Umgebungslicht mit den Kameraeinstellungen abgedunkelt wird, desto höher muss die Blitzleistung sein, um die Umgebung wieder aufzuhellen.

Foto: Simon Deppe

Abstimmen von Kamera- und Blitzeinstellungen
In diesem Beispiel sind die Kameraeinstellungen so gewählt, dass die Umgebung leicht unterbelichtet ist. Die Person ist mit einem Blitz so aufgehellt, dass sie korrekt belichtet ist. So ergibt sich der Lichtfokus auf das Hauptobjekt im Bild.

Lichtsetup: Zwei Aufsteckblitze auf Stativen. Von links stark aufgehellt, von rechts leicht aufgehellt.
Kameraeinstellungen: ISO 100, 1/160s, f/11
Blitzleistung (links): 1/4 bei 3 Metern Abstand

4. Lichtcharakteristika von Aufsteckblitzen

Aufsteckblitze sind sehr kleine Lichtquellen. Das bedeutet, sie erzeugen sehr harte Schatten. In der Praxis führt das schnell zu dramatischen Bildern mit hohen Kontrasten. Meistens ist es nicht damit getan, einfach frontal in das Motiv hineinzufeuern. Und damit sind wir auch schon bei einer wichtigen Erkenntnis des mobilen Blitzeinsatzes angelangt:

Grafik: Simon Deppe

Links: Aufsteckblitz (kleine Lichtquelle).
Der Schatten des Kreises ist scharf abgegrenzt. Man sagt auch «hart».

Rechts: Softbox (große Lichtquelle).
Der Schatten des Kreises ist verschwommen. Man sagt auch «weich».

kleine Lichtquelle = harte Schatten
große Lichtquelle = weiche Schatten

In den Kapiteln fünf bis sieben erläutere ich Möglichkeiten, Blitzlicht unaufdringlicher und dezenter einzusetzen. Denn das mobile Arbeiten ermöglicht es oft nicht, große Softboxen oder Reflektoren mitzunehmen. Um trotzdem weiches Licht oder zumindest etwas weichere Schatten zu erzeugen, gibt es ein paar Tricks und Kniffe.


Die unliebsamen Lichtverhältnisse in den Griff zu bekommen, ist eine der größten Herausforderungen beim Arbeiten mit Aufsteckblitzen.

Simon Deppe

5. Wie blitze ich dierekt?

Der Blitz wird einfach auf den Blitzschuh der Kamera gesteckt und nach vorne gerichtet. Das erzeugt einen sehr flachen, knalligen Look. Wir kennen das von den typischen Partybildern, die mit Point-and-Shoot-Kameras entstehen. Richtig eingesetzt kann auch diese Art des Blitzens wirkungsvoll sein, wie Martin Steger in seiner Arbeit über Friedrich Merz zeigt.

Das direkte Blitzen ist die einfachste Art, mit Kunstlicht zu arbeiten. Man ist nicht von weißen Flächen abhängig, um das Licht zu reflektieren. Auch harte Schatten sind fast nicht erkennbar: Dadurch, dass die Kamera und der Blitz (fast) aus dem gleichen Winkel auf das Motiv gerichtet sind, entsteht nur ein kleiner Schlagschatten. Du musst keine Stative positionieren oder Lichtsetups einrichten. Das bedeutet auch, dass das direkte Blitzen eine sehr schnelle Art zu arbeiten ist. Dynamische Situationen lassen sich gut einfangen.

Foto: Martin Steger, «Friedrich Merz: Zwischen Blackrock und Kanzleramt»

6. Wie blitze ich indirekt?

Das Ziel beim indirekten Blitzen ist, weiches Licht zu erzeugen. Dafür ist es notwendig, die Lichtquelle zu vergrößern. Hierfür können wir uns einfach an (fast überall) vorhandenen Reflektoren bedienen: Wände, Decken oder andere weiße Flächen.

Dazu richten wir den Blitz auf eine Wand oder die Decke. Der Blitz kann auf deiner Kamera montiert bleiben. Du richtest ihn einfach nach oben (Decke) oder zur Seite (Wände). Die Fläche wirkt wie eine große Softbox und reflektiert das Licht auf das Objekt. Dabei solltest du beachten, dass ein großer Teil der Lichtleistung verloren geht. Du musst deinen Blitz also stark hochregeln.

Achtung: Wand und Decke müssen weiß oder grau sein. Haben sie eine andere Farbe, bekommt das Bild einen Farbstich!

Foto: Isabel Reda

Für dieses Porträt blitzt die Fotografin Isabel Reda den hellen Tisch vor der Person an. Das Licht wird reflektiert und fällt in das Gesicht. Durch die größere Fläche (Tisch wird zur Lichtfläche) sind die Schatten weich.

Tipp: In der Spiegelung der Brille und der Augen wird die Blitztechnik sichtbar. Der Tisch und die Position des Blitzes werden bei genauem Hinsehen erkennbar.

Übung macht die Meister*innen!

Trainiere das Blitzen zu Hause und probiere aus, wie unterschiedliche Flächen und Blitzabstände wirken. Nicht immer gibt es passende Wände oder Decken in Reichweite. Außerdem ist es wichtig, darauf zu achten, dass die verwendete Fläche nicht mit im Bild ist. Diese erscheint dann sehr hell und kann ausbrennen.

Die drei Blitzmethoden im Vergleich

Beim direkten Blitzen wird der Blitz auf die Kamera gesteckt und der Lichtkegel ist direkt auf das Objekt gerichtet. Durch die kleine Lichtquelle des Blitzes entstehen harte Schatten.

Beim indirekten Blitzen wird über eine weiße Fläche (z. B. Wand) geblitzt. Diese Reflektiert das Licht und vergrößert dabei die Lichtfläche. Die Schatten werden weich.

Beim entfesselten Blitzen wird der Blitz von der Kamera entfernt und über einen Transmitter gesteuert. Das Licht kann frei im Raum positioniert werden.

7. Wie blitze ich entfesselt?

Das entfesselte Blitzen ist die anspruchsvollste Art zu blitzen. Es bietet jedoch auch die meisten Möglichkeiten. Der Blitz wird von der Kamera entfernt und frei im Raum positioniert. Die Steuerung erfolgt über einen sogenannten Transmitter (eine Fernsteuerung für Blitze). Dies ist mit einem oder mehreren Blitzen möglich. Nun lässt sich, ähnlich wie in einem Fotostudio, ein Lichtsetup einrichten. Für mich hat sich ein Kamerastativ mit montiertem Blitz als praktisch herausgestellt. So lässt sich das Licht schnell und einfach umstellen, und der Kugelkopf ermöglicht ein unkompliziertes Ausrichten des Lichtkegels.

Fotos: Simon Deppe, Auszug aus der Arbeit «Homo Quaerens», 2024/25

Die Vielzahl an Möglichkeiten, die sich beim entfesselten Blitzen ergeben, bietet einen großen Freiraum für die Gestaltung. Gleichzeitig kann es jedoch auch einschränkend wirken! Es wird deutlich schwieriger, spontan und situativ zu fotografieren. Jedes Bild muss «vorhergesehen» werden, da es Zeit braucht, das Licht einzurichten. Man muss also versuchen, die Handlungen eines Protagonisten im Voraus zu erkennen.

Statische Situationen lassen sich mit entfesseltem Blitzen besonders gut fotografieren, da sie Zeit lassen, um die Blitze zu positionieren. An vielen so erstellten Reportagen lässt sich erkennen, dass eine bestimmte Art von Bildern entsteht: Dynamische Situationen bleiben meist aus, da sie sich nur mit großem Glück fotografieren lassen. Man könnte auch sagen, entfesseltes Blitzen bringt Ruhe ins Bild.

Grafik: Simon Deppe

Das Aufhellen von Schatten bei Sonnenschein ist das einfachste Setup für entfesseltes Blitzen. Dabei wird der Blitz gegenüber der Sonne positioniert, sodass er die Schatten aufhellt. Dadurch entsteht eine gleichmäßige Ausleuchtung des Motivs von beiden Seiten.

Grafik: Simon Deppe

Für eine gleichmäßige Ausleuchtung ohne Schatten werden zwei Blitze im 45°-Winkel von rechts und links auf das Motiv gerichtet. Dieses Setup eignet sich auch hervorragend für Innenräume, da es verhindert, dass Schatten auf den Hintergrund, wie beispielsweise eine Wand hinter dem Objekt, fallen. Die Blitze sind so weit seitlich positioniert, dass sie im Bildausschnitt leicht ausgeblendet werden können.

Grafik: Simon Deppe

Zangenlicht ist ein klassisches Studio-Setup für Porträts, lässt sich aber auch hervorragend unterwegs einsetzen. Dabei werden zwei Lichtquellen exakt gegenüber voneinander positioniert, während sich das Motiv in der Mitte befindet. So wird eine Gesichtshälfte beleuchtet, während auf der gegenüberliegenden Seite ein Lichtsaum am Kopfrand entsteht. Tipp: Eine der beiden Lichtquellen kann jederzeit durch die Sonne ersetzt werden.

Grafik: Simon Deppe

Dramatisches Gegenlicht: Der Blitz wird direkt gegenüber der Kamera positioniert, während sich das Motiv dazwischen befindet. Dadurch entsteht ein markanter Lichtsaum, der das Objekt eindrucksvoll vom Hintergrund abhebt.

Auch beim Arbeiten mit den verschiedenen Lichtsetups gilt: Probieren geht über Studieren! Um ein gutes Gespür für Licht zu entwickeln, ist es entscheidend, viel in der Praxis zu experimentieren. So lernst du, wie verschiedene Lichtquellen wirken und welches Setup für eine bestimmte Situation am besten geeignet ist. Ebenso wichtig ist das Zusammenspiel von Kunst- und Tageslicht. In Innenräumen verhalten sich Blitze anders als im Freien: Drinnen musst du oft Lösungen finden, um Schatten hinter dem Motiv zu vermeiden, während sie draußen meist keine Rolle spielen.

Tipp: Bei allen Setups mit zwei Blitzen kann eine der Lichtquellen durch die Sonne ersetzt werden.

8. Lichttemperatur & Blitzabstand

Mischst du verschiedene Lichtquellen, kann es zu Problemen mit der Farbtemperatur kommen. Jede Lichtquelle hat eine eigene Farbcharakteristik. Während unser Auge sich daran anpasst und Unterschiede oft nicht wahrnimmt, reagieren Kameras sehr sensibel darauf. Im Bild äußert sich das beispielsweise durch einen starken Blau- oder Gelbstich.

Bei einer einzelnen Lichtquelle ist das meist kein Problem – die Farbtemperatur lässt sich entweder in der Kamera oder in der Nachbearbeitung korrigieren. Werden jedoch Lichtquellen mit unterschiedlichen Farbtemperaturen kombiniert, entsteht ein unerwünschter Effekt: Während ein Bereich des Bildes bläulich erscheint, wirkt ein anderer gelblich. Eine einheitliche Korrektur ist kaum möglich, wenn in einem Bild mehrere Lichttemperaturen gleichzeitig auftauchen.

Grafik: Simon Deppe

Die Farbtemperatur wird in Kelvin (K) angegeben:

  • Sonnenlicht liegt bei etwa 5300 K – darauf sind die meisten Blitze abgestimmt, sodass sie dieselbe Farbtemperatur haben.
  • Bewölkter Himmel hat eine kältere Farbtemperatur von 7000 K bis 8000 K, wodurch Blitzlicht im Vergleich gelblich wirkt, während die Umgebung blauer erscheint.
  • Kunstlicht, wie Glühbirnen, strahlt meist ein warmes, gelbliches Licht mit rund 2600 K ab.
  • Sonnenuntergänge können Farbtemperaturen von bis zu 1800 K erreichen.

Tipp: Achte beim Blitzen immer auf die Differenz zwischen der Farbtemperatur des Umgebungslichts und der deines Blitzes. Nur so kannst du Farbstiche vermeiden und ein harmonisches Lichtbild erzeugen.

Grafik: Simon Deppe

Der Lichtabfall beim Blitzen folgt dem reziproken Quadratgesetz, was für viele Fotograf*innen zunächst kontraintuitiv erscheinen mag. Die Lichtintensität nimmt nicht linear, sondern quadratisch mit der Entfernung ab. Bei einer Verdoppelung des Abstands zwischen Blitz und Motiv verringert sich die Lichtmenge auf ein Viertel der ursprünglichen Intensität.

– 1 m Abstand: 100% Lichtleistung
– 2 m Abstand: 25% Lichtleistung
– 4 m Abstand: 6,25% Lichtleistung

In der Praxis bedeutet das, dass der Lichtabfall bei geringen Abständen sehr stark ist. Das führt schnell zu ungleichmäßiger Ausleuchtung: Bei Aufnahmen mehrerer Personen in unterschiedlichen Entfernungen sind diese oft unterschiedlich hell ausgeluechtet. Außerdem ist durch diesen Effek die effektive Reichweite von Blitzgeräten sehr begrenzt.

9. Blitzbilanz

Abschließend lässt sich sagen, dass das mobile Blitzen eine spannende, aber herausfordernde Technik ist, die sowohl technisches Wissen als auch kreatives Feingefühl erfordert. Ob direkt, indirekt oder entfesselt – jede Methode hat ihre eigenen Vorzüge und Einsatzmöglichkeiten. Entscheidend ist, das Blitzlicht gezielt und subtil einzusetzen, sodass es die Bildaussage unterstützt, anstatt sie zu überstrahlen. Mit den Grundlagen aus diesem Beitrag hast du das nötige Rüstzeug, um das Blitzen unterwegs souverän zu meistern. Jetzt heißt es: ausprobieren, experimentieren und das Licht bewusst gestalten!


Weitere geblitzte Fotostrecken: