IMAGES IN CONFLICT
Zur Veränderung der Ästhetik und Gebrauchsweisen
fotografischer und filmischer Bilder von Krisen- und
Konfliktsituationen
Bilder im Konflikt: fotografische und filmische Bilder von Krisen- und Konfliktsituationen verändern sich in Ästhetik und Gebrauchsweisen – und geraten damit selbst ins Visier. Zum einen haben sich im Zuge der digitalen Entwicklungen die Bildproduzent*innen und Distributionskanäle von Bildern vervielfältigt. Das erweitert Perspektiven und ermöglicht neue Erzählformen. Zum anderen geht damit eine Erschütterung des klassischen bildjournalistischen Selbstverständnisses einher. Die Konkurrenz der visuellen Strategien sucht das Affektpotential der Bilder zu steigern. Zugleich wird hinterfragt, inwieweit Fotografien noch als Zeugnisse wirken können. Sie bewegen sich im Spannungsfeld von Wahrheitsansprüchen zwischen Authentizität, Objektivität und Propaganda. Ihre Kontextualisierungen und Rahmungen stellen Bedeutungen her – und erfordern Reflexion.
BUCH
– Images in Conflict / Bilder im Konflikt
Die Publikation «Images In Conflict / Bilder» im Konflikt knüpft an die gleichnamige Tagung und Ausstellung an, die im Mai 2017 an der Fakultät III der Hochschule Hannover und in der GAF – Galerie für Fotografie stattgefunden haben. In vier Kapiteln («Akteure und Perspektiven», «Nichts als die Wahrheit», «Sichtbar unsichtbar», «Wie den Bildern Wirksamkeit verleihen») werden die zentralen Aspekte aktueller Visualisierungsstrategien und Bildkonflikte vor dem Hintergrund der Frage nach dem Verhältnis von Konflikten und ihrer Medialisierung sichtbar gemacht. In einem Dialog zwischen fotografischer Bildpraxis und Diskursen der Bildwissenschaften richtet sich der Fokus auf zukünftige Perspektiven im Feld von Fotojournalismus und Dokumentarfotografie. Den Beiträgen gemeinsam ist die Suche nach Erzählformen, die den Blick über die engen Genregrenzen fotografischer Gebrauchsweisen hinaus zu weiten und traditionelle Sehgewohnheiten und Erwartungshaltungen zu unterlaufen suchen. Wo liegen die Potenziale eines reinvented visual journalism? Wie kann man aktuell von Konflikten erzählen, ohne einem ikonografisch allzu vertrauten Formenrepertoire und der Wiederholung einer immer gleichen emotionalen Symbolik aufzusitzen?
Das Buch erschien 2018 im Jonas Verlag, Weimar und steht als Open-Access-Version zum kostenlosen Download zur Verfügung.
Hrsg. von Karen Fromm, Sophia Greiff,
Anna Stemmler
Jonas Verlag Weimar 2018
560 Seiten mit 262 Abbildungen
Mit Bild- und Textbeiträgen von
Dona Abboud Adam Broomberg and Oliver Chanarin Edmund Clark Emma Daly Prof. Dr. em. Susanne von Falkenhausen Sophia Greiff Tim Hetherington Tony Hicks Geert van Kesteren Dr. Paul Lowe Stephen Mayes Prof. em. Fred Ritchin Armin Smailovic Donovan WylieBeiträge
SYMPOSIUM
– Images in Conflict / Bilder im Konflikt
Das Symposium «Images in Conflict / Bilder im Konflikt» ließ vom 17.–18.5.2017 Expert*innen aus Theorie und Praxis fotografischer Bilder aufeinandertreffen und in einen Diskurs über visuelle Zeugenschaft und emotionale Überzeugungskraft eintreten. Im Zentrum stand dabei eine Frage, die für Fotojournalist*innen von beständiger Aktualität ist: Wie können Bilder wahrhaftig berichten und dabei eine Wirkung entfalten, die berührt, ohne zu manipulieren?
In vier Panels wurden verschiedene Aspekte der Bilder in Konflikten beleuchtet.
Unter dem Fokus auf »Akteure und Perspektiven« …
… sprachen der niederländische Fotograf Geert van Kesteren (Why Mister, Why? & Baghdad Calling), die syrische Grafikdesignerin Dona Abboud (Out of Syria, Inside Facebook), der Bildwissenschaftler Philipp Müller (Bildstrategien des IS) und der Kommunikationswissenschaftler Dr. Felix Koltermann (Fotoreporter im Konflikt – Der internationale Fotojournalismus in Israel/Palästina) über das Aufeinandertreffen von professionellen Aufnahmen und Amateurbildern, die potentielle Mittäterschaft durch virtuelle Zeugenschaft, sowie die Einflüsse der Produktionsbedingungen in Konflikträumen auf das fotojournalistische Handeln.
Um »Nichts als die Wahrheit« …
… ging es im zweiten Panel, wenn die erfahrene Journalistin und Sprecherin von Human Rights Watch, Emma Daly (New York), davon berichtete, wie fotografische Zeugnisse als Beweismaterial im Kampf um Menschenrechte eingesetzt werden. Prof. Dr. Ursula Frohne (Universität Münster) sprach als Kunsthistorikerin das Zusammenspiel von ikonischem Bildstatus und dem Eindruck von Gewissheit anhand von Harun Farockis „Serious Games“ an. Der Fotograf und Autor Michael Ebert beschäftigte sich mit den Fehlinformationen, die die Rezeptionsgeschichte des bekannten Vietnamkriegsfotos napalmverbrannter Kinder von Nick Ut durchziehen. Stephen Mayes vom Tim Hetherington Trust fragte, was digitale Prozesse mit der Wahrheit des Bildes machen. Wie steht es um die Zusammenhänge von Fakten, alternativen Fakten und Wahrheit in Zeiten der digitalen Revolution?
»Sichtbar unsichtbar« …
… sind die Bilder, manchmal aber auch die Konflikte, denen sich die Fotografen des dritten Panels widmeten. Christoph Bangert (Köln) wagte mit ›War Porn‹ das Experiment, seine Selbstzensur auszuschalten und uns mit Bildern zu konfrontieren, die unsere Sehgewohnheiten trotz aller verbreiteten Gräuelbilder herausfordern. Der Magnum-Fotograf Donovan Wylie fokussierte in seinen friedlich wirkenden Aufnahmen auf die militärischen Architekturen in Konfliktlandschaften. Und Adam Broomberg, Teil des Künstlerduos Broomberg&Chanarin, warnte davor, Bilder singulär zu betrachten. Prof. Dr. Karen Fromm (Hochschule Hannover) nahm eine theoretische Einordnung der Mechanismen von Exklusion und Visualisierung im Fotojournalismus vor. Tony Hicks berichtete von seiner Arbeit für die Bildagentur Associated Press und deren Praxis der Selektion von Fotografien für die redaktionelle Verwertung. Die Moderation übernahm der mehrfach preisgekrönte Fotograf Dr. Paul Lowe vom London College of Communication.
»How to make images matter?«
Das abschließende Panel vereinte unterschiedliche Annäherungen an die Frage nach der Wirksamkeit von Bildern. Der Autor Dirk Gieselmann (Berlin) und der Fotograf Armin Smailovic (München, Sarajevo) haben auf ihrer gemeinsamen Reise durch Deutschland einen ›Atlas der Angst‹ erstellt. Für sie fungieren Fotografien als ein Medium neben anderen, um die komplexen Ergebnisse ihrer Recherche zu vermitteln. Dr. Vera Brandner betrachtete die Fotografie als Aktions-, Dialog- und Reflexionsform, deren Wirkung für das Arbeiten mit Menschen in Situationen kultureller Differenz nutzbar gemacht wird. Die Nutzbarmachung und Nützlichkeit von Bildern waren auch im Vortrag von Prof. Dr. Rolf F. Nohr (Institut für Medienforschung, Hochschule für Bildende Künste Braunschweig) zentrales Thema. Mit dem Ansatz der kritischen Diskursanalyse blickte er auf Fluchtbilder und aktuelle populistische Bildstrategien.
Ausstellung
– Images in Conflict / Bilder im Konflikt
Wir leben in einer visuell geprägten Kultur. Fotografische und filmische Bilder informieren und beeinflussen uns; sie formen unseren Blick auf die Welt und unser Verständnis von Krisen und Konflikten. Doch Bilder stehen auch im Widerspruch zueinander. Sie erreichen uns über verschiedene Kanäle und vermitteln disparate Botschaften. Wir zweifeln an ihrer Echtheit und hinterfragen ihre Wirksamkeit.
Wie lässt sich in unserer medialisierten Welt auf Kriege und Konflikte blicken? Wie kann Wahrheit aus den verschiedenen Perspektiven der beteiligten Akteure sichtbar gemacht werden? Wie müssen die «Bildermacher» dieser Tage erzählen, um eine Öffentlichkeit zu erreichen?
Die Ausstellung «Images in Conflict» betrachtete diese Fragen aus der Sicht zeitgenössischer Fotograf*innen und Künstler*innen, die nach Formen der Auseinandersetzung jenseits der aktuellen Berichterstattung suchen. In ihren Arbeiten nehmen sie die sich wandelnden Funktionen von fotografischen und filmischen Bildern in Krisen- und Konfliktsituationen in den Blick und thematisieren die Rolle der Medien in den verschiedenen Bereichen der Kriegsführung.
Mit Beiträgen von
Edmund Clark
Der britische Fotograf Edmund Clark untersucht die visuelle Sprache des globalen «Krieges gegen den Terrorismus». Er verdeutlicht, wie die Konflikte und Krisen unserer Zeit in unser Bildgedächtnis eingebrannt sind und wie durch Prozesse der Zensur und Machtausübung im US-Gefangenenlager Guantánamo ganz neues Bildmaterial entsteht.
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Christoph Bangert
Fragen nach journalistischen Auswahlprozessen, die bei Fotograf*innen, Bildagenturen und Redaktionen erfolgen, kommen in der Arbeit «War Porn» von Christoph Bangert zum Tragen. Seine expliziten Aufnahmen zeigen die sonst unsichtbare Seite des Krieges und thematisieren den Konflikt zwischen Zeigen und Wegsehen, den die brutale Kriegsrealität hervorruft.
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Ziyah Gafić
Der schonungslosen Sichtbarkeit von „War Porn“ steht die nüchterne Dokumentation von Alltagsgegenständen in der Arbeit des bosnischen Fotojournalisten Ziyah Gafić gegenüber. Seit 2010 katalogisiert er die persönlichen Habseligkeiten, die als letzte Zeugen an die Existenz der um die 30.000 Vermissten des Bosnienkrieges erinnern und aus den Massengräbern exhumiert wurden. Bis heute dienen diese Gegenstände – und Gafićs visuelles Archiv – dazu, die Toten zu identifizieren.
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Harun Farocki
Mit Wirksamkeit und Omnipräsenz von Bildmaterial in Krisensituationen setzt sich auch der Filmemacher und Künstler Harun Farocki auseinander. Seine Videoarbeit “Serious Games” beleuchtet die Verwendung von Computerspiel-Technologien zur Ausbildung amerikanischer Soldaten – sowohl zur Vorbereitung auf den Kriegseinsatz als auch zur Behandlung traumatisierender Erlebnisse.
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Tim Hetherington
In der eindringlichen Videoinstallation “Sleeping Soldiers” von Tim Hetherington werden die Widersprüche des Kriegserlebens sicht- und spürbar. Intime Aufnahmen von schlafenden US-Soldaten in einem Außenposten in Afghanistan werden mit Szenen intensiver Gefechte überblendet. Die Verletzlichkeit der jungen Männer steht ihrem oft gewalttätigen Alltag gegenüber.
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Dona Abboud
Dass Krieg nicht gleich Krieg ist, hat auch die syrische Grafikdesignerin Dona Abboud beobachtet. Für ihre Arbeit „Outside Syria, inside Facebook“ sammelte sie Bilder, die Menschen aus Syrien in sozialen Netzwerken geteilt haben. Sie zeigt, wie persönliche und offizielle Nachrichten, das gewöhnliche Leben und der Ausnahmezustand des Krieges in den Timelines aufeinandertreffen.
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Armin Smailovic und Dirk Gieselmann
Doch auch Deutschland ist im Krieg. So steht es zumindest eines sonnigen Tages in der Zeitung. Terror, Flüchtlinge, sozialer Abstieg – wovor fürchten sich die Menschen in einem Land, das seit über 70 Jahren im Frieden lebt? Der Fotograf Armin Smailovic und der Autor Dirk Gieselmann haben sich für ihren “Atlas der Angst” auf eine Reise durch ein verunsichertes Deutschland begeben.
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Pressestimmen
zu Images in Conflict
BUCH
Deutschlandfunk Kultur:
Auf der Suche nach neuen Formen fotografischen Erzählens
Foto/Kunst/Theorie – Der Sprengel FOTO-Blog:
Ein neues Buch zum heißen Thema
Süddeutsche Zeitung:
»Wahrheit ist über Fotografie nicht zu bekommen«
Lerchenfeld 48, Uppenkamp:
Nichts als die Wahrheit?
Photonews 05/19:
Buchrezension
SYMPOSIUM & AUSSTELLUNG
Deutschlandfunk Kultur:
Der Bilderkrieg
Ostkreuz-Schule Fotoblog zu:
Images in Conflict
Fotografie und Konflikt:
Symposium »Images in Conflict«
Werner Musterer:
Von Kriegspornografie und Angstatlanten
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